Das erste Konzert der Dresdner Philharmonie in der Frauenkirche stand ganz im Zeichen des Gastes, der vor allem Werke in italienischer Manier und für sein Soloinstrument in den Vordergrund gerückt hatte. Damit bescherte er dem Publikum einige schöne Momente, aber auch ein paar weniger geglückte Kompromisse. Zunächst, weil die Musiker im Altarraum spielten, was häufig der akustischen Qualität abträglich ist. Natürlich ist einzusehen, daß man angesichts des großen Philharmonie-Publikums auf das Ausbauen der ersten Bankreihen verzichten wollte. Giuliano Carmignola und das Orchester haben versucht, hier den besten Ausgleich zu finden, zum Beispiel, indem sie die mit vielen Soli bedachten Holzbläser in Vivaldis Konzert für zwei Flöten, zwei Oboen, Fagott, Streicher und Basso continuo g-Moll (RV 577) nicht hinter den Streichern aufstellten, sondern an zentraler Position. Das tat vor allem den Flöten gut, die uneingeschränkt brillieren konnten, die Oboen klangen trotzdem matt. Insgesamt verschwamm der reichhaltige Klang im Kirchenraum, auch schienen sich Orchester und Leiter noch zu suchen.
Doch schon mit dem zweiten Stück wurde beides bedeutend besser. Giuliano Carmignola hatte die Bearbeitung eines Concertos von Carl Philipp Emanuel Bach mitgebracht, dessen 300. Geburtstag wir dieses Jahr hoffentlich noch bei vielen Gelegenheiten begehen werden. Das Konzert in d-Moll (Wq 22) ist ursprünglich für Cembalo, Violine, Viola und Basso continuo geschrieben, später hat Bach selbst es bearbeitet und die Flöte als Soloinstrument eingesetzt sowie unter anderem zwei Hörner hinzugefügt. Olivier Fourés hat das Werk nun noch einmal gewandelt und der Violine die Solostimme auf den Leib geschrieben. Leider waren dem Programmheft keine Angaben zu Olivier Fourés oder seiner Intention bei der Bearbeitung zu entnehmen – schade! Denn nebenbei hat er das Konzert in Stimmung und Charakter stark in die Nähe der Werke Vivaldis gerückt, es wäre interessant zu wissen, weshalb. Im Vergleich dazu kann ich auf jeden Fall ein Nachhören verschiedener Aufnahmen – soweit sie verfügbar sind – empfehlen, denn diese sind allesamt höchst individuell und reizvoll, jedoch zeigen sie auch eine größere Nähe zu (Vater) Bach. (Jene Einspielungen in der Besetzung mit Hörnern verbreiten zudem eine fröhliche Jagdatmosphäre.) Die etwas andere Aufführung in der Frauenkirche geriet sehr schön und virtuos und trotz der den Gast in den Mittelpunkt stellenden Variante nicht als Gala desselben, sondern als gemeinschaftlich entstandenes Werk, in dem sich viele Solostimmen vereinigten. Und besonders schön geriet dies den beiden Hornisten, die vor allem im ersten und dritten Satz fast permanent klangprächtig auftraten. Das Werk ist über weite Strecken ein Parforceritt, den Giuliano Carmignola und die Philharmonie spielerisch bewältigten.
Nach einer kurzen Pause dann folgte eine an die Ouvertüre angelehnte Sinfonia Johann Adolph Hasses. Dieser Bergedorfer Meister hatte einst lange das Dresdner Musikleben bestimmt und es war erfrischend, wieder einmal eines seiner lebhaften Werke zu hören. Diesmal ohne den italienischen Gast, leitete Heike Janicke sicher durch das fröhliche, geschwinde Stück. Ein Parforceritt auch hier in den Ecksätzen, welche einen sinnlichen mittleren Teil einschließen, hatte das Stück großes Entdeckerpotential und war keineswegs nur schmückendes Beiwerk. Es wäre eine schöne Konzertouvertüre gewesen, doch leider hatte man kurzfristig die beiden Konzerthälften getauscht, nicht zum Vorteil, wie ich finde.
Vielleicht aber wollte man Mozart das letzte Wort haben lassen, und so krönte sein erstes Violinkonzert zum Schluß diesen Abend. Giuliano Carmignola brillierte hier noch einmal, wozu ihm Mozart mit einer Kadenz in jedem der drei Sätze reichlich Gelegenheit bot. Alle Stimmlagen ausnutzend, von strahlend bis wispernd, ganze Arien sang, Versprechungen hauchte der Gast aus Italien auf seiner Violine. Und dann, kurz nach halb zehn, war’s schon vorbei. Da hätte man sich noch eine italienische Sinfonietta gewünscht, oder?
28. September 2014, Wolfram Quellmalz