Duoabend auf Schloß Albrechtsberg

Den Kammerabend der Dresdner Philharmonie bestritt Ralf-Carsten Brömsel diesmal allein mit einem Gast: Andreas Hecker, der als freischaffender Pianist und Korrepetitor der Musikhochschule ganz nebenbei auch häufiger Gast bei Kammerabenden beider großer Orchester ist.

Violinsonaten standen auf dem Programm, wobei zwei davon, Johannes Brahms‘ erste und Cesar Francks einzige, den Rahmen bildeten, zwischen den zwei Werke deutlich nach der Romantik eingebettet wurden. Sergej Prokofjew, zeitweilig im Exil lebender Komponist, später Sowjet-Rückkehrer, ist vielleicht in Ost und West gleichermaßen verstanden bzw. unverstanden. Die Kritik nahm ihm manches übel, nicht nur an »konformistischen« Werken, auch an Handlung oder Haltung. Um so mehr lohnt die Auseinandersetzung mit ihm und seinem Werk. Sinfonien, Klaviersonaten und Konzerte sind uns heute vertraut, sein op. 94a dagegen hört man selten. Prokofjew hat sich nicht nur formal an die klassische Sonatenform gehalten, dem Werk aber auch eine lyrische Prägung und neue Elemente gegeben. Immer wieder bricht er aus den klaren Charakterisierungen aus, entlehnt volkstümliche Motive, wird aber auch rhythmisch, beinahe martialisch, ohne jedoch die konsequente Heftigkeit eines Schostakowitsch anzustreben. Ralf-Carsten Brömsel und Andreas Hecker beließen dem Werk seine Filigranität, schon den Beginn hatte der 1. Konzertmeister der Philharmonie weich intoniert, als erregte ein Seidentuch und kein Bogen die Violinsaiten.

Der Ton war es überhaupt, den dieser Abend prägte. Gerade die beiden »Eckwerke« aus dem Kanon der Sonatenliteratur vertragen tiefromantische, vibratoreiche Interpretationen ebenso wie nüchtern-kühle Gestaltungen. Ralf-Carsten Brömsel und Andreas Hecker hatten einen eigenen Weg gefunden, einen Weg ohne »Mittel« oder »Kompromiß«. Zart und durchdringend, aber verhältnismäßig leise erfüllten sie dennoch den ganzen Raum mit Klang, gaben romantischen Impuls, einmal ohne Süffigkeit, und dennoch hatte jeder Ton Vibrato – mit Maß eben. Wie gleich im ersten Satz von Brahms‘ op. 78 die Violine praktisch ohne »Bruch« ins Pizzicato »fiel«, das hatte schon etwas von Vollendung. »Maß« bedeutet schließlich auch nicht Beschränkung oder »eingebremst«, und so schwebte Brahms, schwärmte Franck.

Eine Hommage und Gratulation zum 80. Geburtstag war Manfred Weiss‘ »Flut-Sonate«. Diesmal wirklich und deutsch »Flut«, denn Prokofjews Sonate ist im Original (op. 94) auch eine Flute-Sonate (hier jedoch: Flöte). Die Flut 2002 hat den Komponisten zu seinem Werk angeregt, das den Verlauf in vier Teilen beschreibt. Regen kommt, dann Wasser und Flut, die wieder geht und Zerstörung und Morast übrig läßt. Weiss findet mit dem Choral »Nun danket alle Gott« ein Schlußwort, eine Formel, die die Erstarrung löst und das Verarbeiten beginnen läßt. Auch hier gab es keine Gewalt, sondern Filigranität. Weiss‘ Sonate formt geradezu naturalistisch-plastisch Wassertropfen und -ströme, Rinnsale, die sich Wege bahnen. Eindrucksvoll auch der Beginn von Teil drei (nach der Flut), wenn Klavier und Violine Endlichkeit und Panoramablick, Zeit und Ort zu formulieren scheinen und dann – keines kann unabhängig vom anderen existieren – verschmelzen. Den anwesenden Komponist dürfte es gefreut haben.

Violinsonaten für Verstand und Gefühl sozusagen, die mit einer Komposition von 2004 zeigen, daß es auch heute noch etwas hinzuzufügen gibt.

15. Oktober 2015, Wolfram Quellmalz

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