In Lexika wird Amadeus Webersinke (1920 bis 2005) als Organist (oft verbunden mit der konkreten Jahresangabe »bis 1953«) und später Pianist sowie als Hochschullehrer in Leipzig und (ab 1966) Dresden ausgewiesen. Auch zahlreiche Aufnahmen mit Orchestern wie dem Gewandhausorchester oder der Staatskapelle Weimar und Dirigenten oder Partnern wie Franz Konwitschny und Kurt Masur, dem Suske-Quartett, Manfred Scherzer und Peter Damm, zeugen in »belegbaren Dokumenten« von seinem Tätigsein. Besucht man die Dresdner Musikhochschule, zeugt aber auch noch mehr davon. In den Erinnerungen von Kollegen und Schülern (viele davon heute selbst erfolgreiche Musiker oder Musiklehrer) ist Amadeus Webersinke lebendig geblieben, findet man seine Musizierhaltung wieder, und dies nicht nur anläßlich des Gedenkkonzertes zu seinem zehnten Todestag. Auch sonst ist der Name noch allgegenwärtig – Amadeus Webersinke gehörte zu den prägendsten Hochschullehrern der vergangenen Jahre.
»Künstlerische Wahrhaftigkeit« charakterisierte (bzw. zitierte) Prorektor Florian Uhlig das Bild, das auch heute noch am Haus lebendig und in den Köpfen verankert ist. In seiner Laudatio erinnerte Prof. Ekkehard Klemm zunächst an verschiedene Sichtweisen auf die Musik, von Johann Gottfried Herder bis Igor Strawinsky. Abseits dieser Definitionen ist Musik aber stets auch eine Auffassung, eine Lebenseinstellung. So trennte der »Antimeister im Ego« (Klemm) Menschsein und Musik auch nicht, wirkte nicht nur am Flügel, sondern blieb der Orgel treu, leitete Meisterklassen für Kammermusik, und gab seinen Schülern auch gerne Leseaufgaben – Eichendorff, Hesse, Bulgakow.
Ganz im Sinne Amadeus Webersinkes dürften auch die Musikstücke gewesen sein, die am Mittwochabend im Konzertsaal der Musikhochschule erklangen. Die ersten beiden Sätze aus Haydns Lerchenquartett hatte er sich selbst für seine Trauerfeier gewünscht, aber auch Beethovens »Mondscheinsonate« und Johannes Brahms‘ Klavierquintett f-Moll waren für Amadeus Webersinke zentrale Werke. Gespielt wurden sie von Alumnen, einstigen Schülern aus der Klavier- oder Kammermusikklasse. Olaf Torsten Spies, der den Abend gestaltet hatte, übernahm die zweite Violine, spielte mit Matthias Wollong (erste Violine), Urs Stiehler (Viola) und Martin Jungnickel (Violoncello) Haydns Quartett ebenmäßig, mit frühlingshafter Leichtigkeit (wie es der Lerche gefällt), aber auch großer Intensität. Auch in Brahms‘ Quintett, um den ehemaligen Schüler und heutigen Hochschulprofessor Winfried Apel gewachsen, ließen die nun fünf Musiker eine sommerliche und süffige Farbenfülle verströmen, hielten bedächtig inne, ließen aber auch die Einzelstimmen und Anlehnungen an die Liedformen hervortreten.
Noch vor der Pause hatte Andreas Boyde Beethovens Sonate Nr. 14 erklingen lassen. Mit ausgewiesenen Feinheiten und gesanglich, mit Delikatesse, entwickelte er die berührende Schönheit des Adagio sostenuto und des Allegretto, um im abschließenden Presto agitato einen Beethoven’schen Sturm und Impetus zu beschwören. Ob diese Interpretation Amadeus Webersinke erfreut hätte? Man darf es annehmen.
Der Applaus galt denn auch nicht allein den Musikern auf der Bühne, sondern dem über die Bühne projizierten Portrait. Mit einer Einspielung einer Aufnahme Amadeus Webersinkes, aus Bachs »Goldbergvariationen«, hatte der Abend auch begonnen.
17. Dezember 2015, Wolfram Quellmalz