…Bach in Steinbach
Vor drei Jahren war es vielleicht noch als einmalige Idee ins Programm des Moritzburg Festivals gekommen: das Konzert in der Dorfkirche Steinbach. Doch nach dem »privaten Bach« damals heißt es nun jährlich »Mostly Bach« und ist stets eines der früh ausverkauften Konzerte. Das kleine, liebevoll restaurierte Kirchlein bietet nicht vielen Besuchern Platz, sie sitzen dann zum Teil im Altarraum um den jeweiligen Künstler – es ist jeweils nur einer.
Solopartiten und -sonaten gehören zur ursprünglichen Idee (Jan Voglers Aufnahmen der Cellosuiten Johann Sebastian Bachs war damals noch recht frisch), aber schon von Beginn gab es auch andere Werke. So bestand immer eine Verbindung in die Gegenwart, wie im vergangenen Jahr mit Pauline Sachse, die auf der Viola »Für Gabriel« des türkischen Komponisten Mehmet can Özer spielte.
Bach gehörte aber der Anfang, also das Alpha des Abends: David Seidel spielte die Partita BWV 1013 (Original: a-Moll / Flöte) in einer für sein Instrument, das Fagott, eingerichteten Fassung (d-Moll). Ungewohnt ist es, dem Fagott als Soloinstrument zu lauschen, das viel mehr als nur »brummen« kann. David Seidel entlockte ihm ein beredtes Staccato ebenso wie er die Sarabande melodiös verströmen ließ. In der Bourrée vereinigten sich beide Charaktere.
Das besondere an Steinbach ist diese Konzentration, in der man jede Nuance einer Stimme vernehmen kann, bis zum Grund durchzudringen scheint. Selbst das Luftholen oder Klappengeräusche werden hier nicht durch andere Spieler verdeckt und tragen zum unmittelbaren Charakter bei.
Capricen und Étuden gehören zu den Schaustücken, mit denen manche ihr Können beweisen, manche eine »Show abziehen«. Ning Feng war in dieser Woche schon als Quartettprimarius zu erleben, hier nun bot er eine meisterliche, blitzsaubere Auswahl aus Niccolò Paganinis Opus 1. Fünf Stücke, die höchst unterschiedliche Charaktere aufzeigten und auch die linke Hand zur Spielhand werden ließen. Präzise und verblüffend blitzten die Capricen auf, bevor der Künstler nach Proschwitz wechselte. (Dort war er gleich noch in Rossinis »La-Tempesta-Sonate« dran.)
»Arirang« von Go-San Baek ist eines, nein das berühmteste koreanische Lied und mittlerweile sogar UNESCO-Weltkulturerbe. Hwayoon Lee sang es auf ihrer Viola – nicht nur über die Zeit, auch über Kontinente reicht die Moritzburg-Brücke.
Atemberaubend waren die Künstler ausnahmslos und jeder für sich. Sechs konzentrierte Höhepunkte in eineinhalb Stunden, Musik pur – das ist Steinbach, wie mit Felix Klieser, schon einmal beim Festival zu Gast, der in Bernhard Krols »Laudatio« den Spagat zwischen kraftvollem Ton und zarter Anrufung vollführte.
Wegen eines weiteren »Musikertransfers«, diesmal von Proschwitz nach Steinbach, hatte sich die Programmfolge etwas geändert. Das »Omega« kam vor dem Schluß – Bachs Cellosuite Nr. 2 mit dem Gründungsmitglied Peter Bruns. Auf die Frage von Musikfreunden vor Beginn des Konzertes, ob denn alle Künstler da seien, auch Peter Bruns, hatte die Dame an der Kasse noch geantwortet, daß er, wenn es so im Programm stünde, natürlich »mitsinge« (und sich dann korrigiert, Peter Bruns »spielte« natürlich). Dieses Singen liegt dem Cello aber durchaus, vor allem, wenn es so seelenvoll gestrichen wird wie hier – dann wird »Technik« zur Nebensache, was zählt ist eines: purer Ausdruck!
Nach einer kleinen Pause, verkürzt noch durch eine Zugabe (noch einmal Felix Klieser mit einer Bearbeitung von Rossinis »Rendezvous de chasse« für Hornquartett) gab es erneut einmal Musik des zwanzigsten Jahrhunderts, die dritte an diesem Abend: Ruth Kilius, die gerade noch in Proschwitz in Hugo Wolfs Serenade mitgespielt hatte, spielte Bernd Alois Zimmermanns Sonate für Viola Solo. Das Stück ist, ähnlich wie »Für Gabriel« im vergangenen Jahr, auch ein Requiem. Ruth Kilius berührte mit ihrem klaren, nahbaren Vortrag besonders. Das Stück, zunächst durchaus den Intellekt ansprechend, greift immer wieder einen Choral auf, bevor es am Ende verlöscht.
Ganz klar: da sind noch ein paar bekannte und unbekannte Solowerke »offen«, für 2018…
18. August 2017, Wolfram Quellmalz