Kolorit plus Impuls

Dresdner Philharmonie mit tänzerischen Suiten und einer deutschen Erstaufführung

So langsam gehen die Spielzeiten der Konzert- und Theaterhäuser in die Zielgerade, und so gab es am Wochenende auch die letzten Konzerte mit Katia und Marielle Labèque, die ihre Residenz bei der Philharmonie mit einer deutschen Erstaufführung beschlossen.

Zunächst aber belebte Juanjo Mena den ohnehin in freundlichen Farben gehaltenen Saal um mehrere Grade iberischen Kolorits – sein eigenes Temperament ausdrücklich mit eingeschlossen. Isaac Albéniz hatte in seiner »Suite espagñola« verschiedene Regionen Spaniens beschrieben, Rafael Frühbeck de Burgos schuf 1965 eine Orchesterfassung und spielte das Werk später mit seiner Philharmonie (damals noch im alten Saal des Kulturpalastes). Der gebürtige Baske Juanjo Mena hatte für die Eröffnung des Abends drei Sätze aus der Suite (Castille, Granada und Aragón) ausgewählt.

Den Kastagnetten und Streichern, die leise das Grundthema punktierten, stellte der Dirigent die Klangfülle vieler Blechbläser, Glocken und anderer Schlagzeuge gegenüber, und auch im Tutti der Streicher lag eine gehörige Verve. Dabei wahrte Neba ein feines Maß, differenzierte die Passagen und hatte noch genügend Spielraum, um sich zu einem fulminanten Schluß zu steigern – nicht zum letzten Mal an diesem Abend. Zauberhaft gelang auch der zweite Satz, der mit dem Chor der Cellogruppe beginnt. Das Flötensolo (Karin Hofmann) fand in der Klarinette (Fabian Dirr) einen charmanten Widerhall.

Daß der Programmhefttitel »Minimal plus« für das Konzert für zwei Klaviere und Orchester von Bryce Dessner absolut berechtigt war, zeigte sich im Anschluß. Denn anders als »pure« Minimalisten, die sich viel stärker auf minimale Motivpartikel, repetierende und mutierende Sequenzen stützen, fügt Dessner diesen Strukturen viel Klang hinzu. Ohne daß er Zitate allzu offensichtlich herausstellt, läßt er das Repertoire der beiden Pianistinnen, denen das Werk gewidmet ist, anklingen, Rachmaninow und Prokofjew etwa. Die drei Sätze bzw. zwei Abschnitte bestehen aus weiteren Teilen und überlassen den beiden Klavieren meist die Führung. Katia und Marielle Labèque sorgten für den melodischen Fluß und die Bindung, während das Orchester Strukturen zeichnete und vor allem mit Schlägen für Kontraste sorgte. Immer wieder traten Schlagwerke und Bässe prominent hervor oder intonierten ein Echo auf den von den beiden Pianistinnen vorgegebenen Ton.

Für Spannung sorgt Dessner, weil er immer wieder die Stimmung betont oder den Puls der Melodie folgen läßt (und nicht umgekehrt wie oft bei den Minimalisten). Erstaunliche Effekte ergaben sich selbst mit im Tutti kaum hörbar summenden Violinen. So erfuhr das Werk eine mehr als freundliche, zum Teil begeisterte Aufnahme im Publikum. Es wird interessant sein zu erleben, ob die Wirkung bei einer Wiederaufführung dieselbe ist.

Begeistert waren die Besucher auf jeden Fall von Katia und Marielle Labèque und verlangten energisch nach einer Zugabe. Mit der »Brasilera« aus Darius Milhauds Suite »Scaramouche« sagten die beiden Pianistinnen »Adé«.

Statt einer großen Sinfonie gab es nach der Pause Maurice Ravels Suiten »Daphnis und Chloé«. Was für eine Gegenwelt zu Dessner! Denn für Ravel war vor allem die Stimmung wichtig sowie das komplexe Bild, das mit Schlagwerken und Windmaschine ständig um viele Facetten bereichert wurde und schon mit dem Flötensolo – als wären es Tautropfen (Karin Hofmann blieb erstklassig an diesem Abend!) – begann. Einen Puls gab es auch hier, aber keinen strukturell angelegten, sondern einen ganz sanften von der Harfe, der sich über schwebende Streicher legte. In beiden Teilen formte der sehr sportiv dirigierende Juanjo Mena die Bilder akkurat aus und fand am Ende jeweils einen fast schon expressiven Schluß. »Klasse!« sagte jemand neben mir – ja, so war‘s.

17. Juni 2018, Wolfram Quellmalz

Tip: Schon am nächsten Sonntag legen die Philharmoniker mit einem besonderen Programm (Schönberg / »Notturno«, Strauss / »Vier letzte Lieder« mit Maria Bengtsson und Korngold / Sinfonie Fis-Dur) nach, Dirigent ist Bertrand de Billy (1. Gastdirigent). Am Dienstag (26. Juni) gibt es den 17. Dresdner Abend mit Werken von Johann Georg Pisendel und Antonio Vivaldi im Hygienemuseum.

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