King’s Singers in der Frauenkirche
Charmant sind sie ganz unzweifelhaft, amüsant, haben englischen Humor (zuweilen schwarzen), sie machen sich über sich lustig, wenn sie den Brexit meinen oder über die Verwirrungen der Liebe singen. »Wir sind ja jung, wir müssen noch lernen« – dabei feiern die King’s Singers ihr fünfzigjähriges Bestehen. Die Besetzung hat sich seit 1968 mehrfach geändert, jede Position ist bereits in der vierten oder fünften Generation angekommen. In der aktuellen Zusammensetzung mit Patrick Dunachie und Timothy Wayne-Wright (Countertenor), Julian Gregory (Tenor), Christopher Bruerton und Christopher Gabbitas (Bariton) sowie Jonathan Howard (Baß) existieren sie gerade einmal seit zwei Jahren – Patrick Dunachie kam 2016 dazu, Christopher Gabbitas ist mit vierzehn Jahren der Dienstälteste King’s Singer.
Mit Henry Leys »The Prayer of King Henry IIV« stellten sich die sechs in perfekter Harmonie vor, wechselten danach zum Zeitgenossen Bob Chilcott (»We are«) und einer flotten, swingenden, poppigen Gangart – mit ihrer Tournée zum 50. Jahr ihres Bestehens wollten die King’s Singers ihrem Publikum eine »Bandbreite« der Musik aus fünf Jahrhunderten präsentieren, wie Jonathan Howard in seiner Begrüßung sagte. So ging es fortan munter durch die Jahre und die Jahreszeiten, mit Claude le Jeune und »Revecy venir du Printans« (Jetzt kommt der Frühling wieder) landete man nolens volens auch einmal in der »falschen«. Gleichwohl zeigte sich gerade hier eine sängerische Qualität: das harmonische, geschmeidige Fließen beherrscht das Sextett perfekt, es trägt die Wasserläufe, die der Text birgt.
Perfekter Wohlklang war dies, »Wohlfühlmusik« mit reichlich Moderation und Hinweisen auf das »Gold«-Album – weniger wäre manchmal mehr. Zumindest könnten die King’s Singers doch ein aufmerksames Publikum voraussetzen und müßten den Liedtext, der im Programmheft stand, nicht noch erläutern. Doch das Heft, das in diesem Frauenkirchen-Jahrgang sowieso recht marketinglastig ausfällt und nicht vor rundgeschnittenen Bildern wie Leonardo da Vincis »Mona Lisa« zurückschreckt, war wenig hilfreich. Denn die Übersetzung der fremdsprachigen Texte wurde nicht strophenweise gegenüberliegend, sondern im Ganzen anschließend abgedruckt – so ließ sich dem gesungenen Text kaum folgen. Dafür fehlten Angaben zur Stimmaufteilung der Lieder.
Perfekter Wohlklang kann auch ein Zuviel an Perfektion bergen. Und so wirkten die vielen Gesten bis hin zum Fingerschnippen und Augenzwinkern allzu künstlich einstudiert und manchmal albern, während es gerade Max Regers »Morgengesang« und Joseph Gabriel Rheinbergers »Abendlied« an Innigkeit missen ließen.
Nach der Pause gab es die im Programm versprochene »Zuckertüte« mit den Lieblingszugaben der King’s Singers. In volkstümlichen Liedern verschiedener Sprachen sind die sechs zu Hause, und so übertrug sich die Botschaft von »Es klappert die Mühle…« leicht verständlich (Kommentar »Das kannten sie vielleicht schon«). Mit dem Judy-Garland-Song »It’s a new world«, »Some folks‘ lives roll easy« (Paul Simon), »My love is a red rose« (nach einem Gedicht von Robert Burns) kam das Sextett schließlich zum Marsch aus Gioachino Rossinis »Wilhelm-Tell«-Ouverture als Instrumentalimitation – großer Jubel in der Frauenkirche. Nach der Zugabe (»Goodnight, my angel« von Billy Joel) packten die King’s Singers zwar werbewirksam ihre iPads von den Pulten und lächelten noch einmal ins Publikum, aber so schnell gab das noch nicht Ruhe – da durften die Jungs noch einmal raus (MLK von U2-Säger Bono).
13. Oktober 2018, Wolfram Quellmalz
Danke für diesen kritisch-wohlwollenden Konzerteindruck. Freut mich unter anderem, dass die King’s Singers die Red Rose von Robert Burns in die Zuckertüte packen – er wird nun 260. Viele Grüße