Orgelsommer der Dresdner Kreuzkirche vertreibt Frühherbst
Der in der Ferienzeit in der Kreuzkirche veranstaltete Orgelsommer am Sonnabendnachmittag findet immer ein großes Publikum. Das war zum Konzert vor einer Woche mit Orgel (Johanna Lennartz) und Violine (David Gorol) nicht anders. Wenn ein Organist wie Matthias Eisenberg auf dem Programm steht wie am vergangenen Sonnabend, wird der Andrang natürlich noch größer. Wenn dann noch wegen einer Veranstaltung in der Innenstadt die Anreise mit der Straßenbahn umständlich, wenn nicht unmöglich ist, sind um 15:00 Uhr noch längst nicht alle drinnen.
Die drin waren, inklusive des Organisten, harrten so noch ein Viertelstündchen aus, bevor die Zeitreise durch die Welt der Sonaten begann. Vier Werke hatte Matthias Eisenberg für sein Programm ausgewählt, worin er vor allem den weltlichen Klang der Königin der Instrumente zeigte, mit Feinsinn, Eleganz und all seiner Pracht.
Johann Sebastian Bachs Triosonate G-Dur (BWV 530), eine seiner schönsten, erhob sich flüsternd über das sofort ersterbende Murmeln in der Kirche, entfaltete obertönig und Flötenstimmen eine Filigranität und Galanterie, wie man sie gemeinhin eher von der nachfolgenden Generation kennt. Dem leichtfüßig-tänzerischen Vivace verlieh Matthias Eisenberg mit sanftem Pedal Nachdruck, um gleich darauf die Gesanglichkeit des »Erbarme-Dich«-Motivs im Gestus umzukehren – in der Triosonate erklingt das Zitat in offensiver Zuversicht wie ein »da bin ich«.
Mit der Sonata V in D (Wq 70 / 5) wandte sich das Programm dann tatsächlich einem Bach-Sohn zu – Carl Philipp Emanuel. Mit dem im Charakter strahlend-fröhlichen Werk schien auch die Orgel zu wachsen, hatte Matthias Eisenberg doch zuvor die Intimität eines viel kleineren Instrumentes dargestellt. Nun durfte die große Jehmlich-Orgel schon deutlich mehr funkeln und sich im letzten Satz in kleinen Aufwärtskaskaden steigern. Auch Carl Philipp Emanuel Bach wies aus seiner Zeit bereits voraus, und so überraschte der romantische Gestus des gesanglichen Adagio e mesto schließlich nicht.
Noch mehr Gesanglichkeit lag freilich in Johann Ludwig Krebs‘ »Herzlich lieb hab ich dich, o Herr« (Krebs-WV 526 und 527). Johann Sebastian Bachs berühmtester Schüler hatte in zwei Fugen über den Choral phantasiert, worin Matthias Eisenberg nun (fast) sämtliche Register der Königin prunken ließ.
Von hier gab es den größten »Sprung«, denn wohl ist August Gottfried Ritter de facto ein Urenkelschüler Johann Sebastian Bachs, doch sind direkte Bezüge über so viele Generationen nicht mehr ausgeprägt. Ritter ist vielmehr seiner Zeit verhaftet und bezeichnet die Sätze seiner Sonata Nr. 4 A-Dur Opus 31 wie Robert Schumann mit »Ruhig und heiter – Frisch und kräftig«. Aus dem samtig-romantischen Beginn schöpfte Matthias Eisenberg bald ein »großartiges Ungetüm«, das in Variationen und Charakterstücken um das Motiv tanzte – der Aufwand der Anfahrt und das Warten hatte also gelohnt!
29. August 2021, Wolfram Quellmalz
Der Orgelsommer der Kreuzkirche geht am kommenden Sonnabend (4. September, 15:00 Uhr) mit Hans-Christian Martin (Crostau) zu Ende. Es erklingen Werke von Johann Sebastian Bach, César Franck, Franz Liszt. Weitere Informationen unter: http://www.kreuzkirche-dresden.de