Isabell Schicketanz und Sebastian Knebel durchforschen bei den Batzdorfer Barockfestspielen die heiteren und düsteren Seiten der Liebe
Daß es gegen die Liebe ebenso kein Rezept gibt wie dafür, ist seit langem bekannt. Wer kein Nemorino ist, weiß darum, und so erstaunt es nicht, wenn sich in der Musik des 16. und 17. Jahrhunderts nichts anderes findet als wir heute über die Liebe sagen.
Isabell Schicketanz und Sebastian Knebel präsentierten am Sonnabend zum Frühabendkonzert der Batzdorfer Barockfestspiele Stücke vor allem von Henry Purcell und John Dowland, den vielleicht wichtigsten (wenngleich nicht einzigen) Vertretern der Englischen Musik aus dieser Epoche. Dabei erwies sich Isabell Schicketanz Sopran wieder einmal als glockenhell in der Höhe, während sie auch mühelos und rund die Mezzolagen trifft, etwa in John Dowlands »Weep you no more« (»Weine nicht länger«). Und sie ist überhaupt nicht festgelegt auf besonders lyrische Interpretationen – wenn es die Situation erfordert (gibt es etwas Fordernderes als die Liebe?) weiß sie dramatisch glaubhaft zu beben. So wie in Henry Purcells eingangs gespieltem und gesungenem »The plaint« (Klagelied) aus »The Fairy Queen« – derart hoffnungslos, sich vor dem Tageslicht versteckend und die (gar ewige) Nacht suchend, wollten Isabell Schicketanz und Sebastian Knebel den Abend denn doch nicht verlaufen lassen.
Verzweiflung gab es allenthalben zu spüren, doch war die Sopranistin noch zu vielen Farben befähigt, führte nicht nur charmant durchs Programm, sondern berührte mit einer großartigen Anmut, mit der sie Henry Purcells »See, even night herself is here« oder John Dowlands Klassiker »Come again« ausstaffierte – es müßte ein Unhold, ein gefühlloser Barbar sein, der sich davon nicht bezaubern ließe und nicht zurückkehrte!
Sebastian Knebel hatte ein hell klingendes Cembalo mitgebracht, das in Solostücken zwischendurch silbrigen Glanz verbreitete, prickelte und kaum weniger charmant warb – die Werke trugen mitunter neben der musikalischen Formbezeichnung sprechende Titel wie »Amarilli di Julio Romano« von Peter Philipps, was erneut auf Liebesgeschichten verwies.
Daß neben dem Lied auch das Accompagnato und die Arie von der Liebe erzählen, versteht sich von selbst. Isabell Schicketanz schmückte Georg Friedrich Händels »Tune the soft melodious lute« (Arie der Iphis aus dem Oratorium »Jephta«) mit Koloraturen und Tonsprüngen aus, die zur Freude des wahllondoner Komponisten gereicht hätten – ein Höhepunkt des Abends, der die erzählerische Spannung von Balladen erreichte.
War es nun hoffnungslos oder -voll? Von der Zugabe, Händels »Lascia la spina«, gibt es zwei Textfassungen. Aus dem ursprünglichen Klagelied (»Lascia ch’io pianga« – »Laß mich beweinen«, aus »Almira«) wurde im Oratorium »Il trionfo del Tempo e del Disinganno« »Lascia la spina, cogli la rosa« (»Laß doch die Dornen, pflücke die Rose«) – Hoffnung und Schönheit, da fehlt nur noch ein wenig Liebe. »Das tut unseren Seelen gut« hatte Isabell Schicketanz sponan gesagt, als der Applaus aufkam »Unseren auch« lautete die Antwort aus dem Publikum – wie hätte sie auch sonst lauten sollen?
29. August 2021, Wolfram Quellmalz