Elbland Philharmonie spielt zeitgenössische Musik, als wäre dies ganz normal
Insofern war der Besuch des Orchesters bei den 31. Dresdner Tagen für zeitgenössische Musik am Donnerstag im Festspielhaus Hellerau zwar ein Sonderkonzert, gleichzeitig aber auch die Fortsetzung einer lang gepflegten Arbeit. Da verwunderte es nicht, wenn das erste Werk – eine Dresdner Erstaufführung – von der Elbland Philharmonie gar nicht zum ersten Mal gespielt wurde, denn sie haben »AGNI« – Musik für Baßklarinette und Orchester von Bernd Franke bereist 2019 uraufgeführt [NMB berichteten]. Der Solist von damals, Volker Hemken (Solo-Baßklarinettist des Gewandhausorchesters) entfachte ein weiteres Mal den Geist des virtuosen Feuergottes (auf den sich das Stück bezieht).

Lothar Voigtänder, Photo: Lothar Voigländer
Bernd Frankes Musik ist flächig, sphärisch, hüllt ein, sie nähert sich dem Zuhörer leicht, berührt Jazz- und Filmmusik. Dabei scheint AGNI von einem Energieimpuls getrieben, der immer wieder neu auflodert, vom Solisten aber schließlich in einer Kadenz beruhigt wird.
Einen vollkommen anderen Charakter hat Piyawat Louilarppraserts »Ptera« (2023). Der Komponist und Künstler ist mit verschiedenen Werken und Klanginstallationen in Hellerau zu erleben. Seine neue Komposition schlägt eine Brücke zwischen Musik und Installation, denn im Orchester ist kein Instrument unverändert – Streicher, Bläser, sogar die Schlagwerke wurden präpariert, um ihren Klang zu verändern. So entstand ein völlig fremder Klang, der Summen, Tröten, Brummen einschloß (selbst die Pauken waren mit Reiben ausgelegt) – man staunte zuweilen, wie ein Klangkörper so etwas OHNE elektronische Veränderungen zustande bringt! Spaß machte die Klangerkundung dabei auch – dem Publikum ebenso wie den Musikern.
Einen kleinen Meilenstein gab es nach der Pause, denn nach 34 Jahren (!) wurde Lothar Voigtländers Harfensinfonie (seine zweite Sinfonie) in Anwesenheit des Komponisten uraufgeführt. Die Wirren der Wende und einige Intendantenwechsel sind dafür verantwortlich, daß hier sozusagen ein Stück historischer zeitgenössischer Musik präsentiert wurde. Dabei war es Ekkehard Klemm wichtig, Lothar Voigtländer nicht als »DDR-Komponisten« einzuordnen. Der heute 79jährige hat den wesentlichen Teil seines Œuvres schließlich nach der Wende geschaffen.
Der Begriff »Sinfonie« ist berechtigt, denn die Harfe (gespielt von Alma Klemm) trat nicht in dezidierten Soli und Dialogen mit dem Orchester auf, sondern wurde zwar vordergründig, aber in einer Art Klangsynthese eingewoben. Die Wechsel und Metamorphosen der Harfensinfonie sind vielschichtiger als in einem Konzert, vor allem, weil Motive und Stimmungen ineinander übergehen. Immer wieder verwoben sich Klänge im Vordergrund, ein deutlich abgegrenzter Hintergrund reflektierte – um sogleich wieder neu zu verschmelzen. Dieses Wechselspiel war erfrischend, die Harfe bildete mit Klavier, Celesta und Glocken immer neue Klanggruppen.
Auch emotional oder in Stimmungen ließ sich das Werk erfahren, daß in einer Art Endlichkeit und Weite begann, Erregungshöhepunkte wie ausgedehnte kadenzartige Passagen aufwies, in der Dichte wuchs oder frei wurde. Mit einer Art kammermusikalischem Postludium klang es schließlich aus.
21. April 2023, Wolfram Quellmalz
Das Konzert wurde vom Deutschlandfunk für die Reihe »Konzertdokument der Woche« aufgezeichnet und soll zu einem späteren Zeitpunkt gesendet werden (geplant ist außerdem ein Interview mit Lothar Voigtländer).
Die 31. Dresdner Tage für zeitgenössische Musik sind noch bis zum 7. Mai im Festspielhaus Hellerau und anderen Orten zu erleben.