Moritzburg zum Mitsingen

Regenperiode schadet dem Kammermusikfest nicht

Nach dem verregneten Wochenende und der frühzeitigen Ankündigung verschlug es am Dienstagabend nur vereinzelte Besucher noch zur Moritzburger Schloßterrasse – das Abendkonzert war sicherheitshalber wieder in die Kirche verlegt worden, was die Zuhörer vor arg kühlem Wetter und einem weiteren Schauer bewahrte. Drinnen durften sich zunächst zwei Flötentrios Joseph Haydns wohlig ausbreiten.

Magali Mosnier ist seit ihrem ARD-Musikpreis schon mehrfach beim Moritzburg Festival (MBF) gewesen. Diesmal teilte sie sich die Flötenstimmen mit Mira Wang, welche die zweite auf der Violine spielte. Neu beim MBF in diesem Jahr und dritte im Bunde war Sandra Lied Haga (Violoncello). Die beiden Stücke Hob. IV Nr. 1 und 3 ließen Haydns Singstimmen wie Lerchen jubilieren und fanden besonders im Andante des ersten Trios harmonisch zusammen, während das dritte mit seinen Galanterien verzückte – das hätte der Komponist wohl noch (viel) später am Preußischen Hof vorspielen dürfen.

Nach dem Haydn-Spaß bzw. Vergnügen gab es eine kleine Rarität und Entdeckung: Leonard Bernsteins Klaviertrio unter der Mitwirkung von Festivalakademist Nikolaus Branny (Klavier) sowie Stella Chen (Violine) und Bruno Philippe (Violoncello). Auch hier lautete die Kombination der arrivierten Musiker also neuer Gast und MBF-Stammplatz. Mit dem jungen Pianisten führten sie ein Werk auf, bei dem man sich fragte, weshalb es so wenig gespielt wird. In manchem ähnelt es dem wenige Jahre später entstandenen, viel populäreren e-Moll-Trio von Dmitri Schostakowitsch, ist aber (zum Beispiel) um einiges charmanter. Der Reigen fugierter Einsätze und Übergänge, immer wieder durchbrochen von Pizzicati oder Steigerungsfiguren, wurde äußerst lebhaft dargeboten und zeugte von musikantischer Ausgelassenheit. Derart aufeinander bezogen, erweckten weder die Formenspiele des Frühwerkes einen schulmäßigen Eindruck noch fehlte es dem elegisch eingeleiteten Finale an Verve. Hitzig und witzig barg dieser Bernstein einen gewissen Schmelzfaktor und könnte vielleicht einmal wieder im MBF-Repertoire auftauchen.

Leonard Bernstein am Klavier, 1955, Photographie: Al Ravenna, New York World-Telegram & Sun Collection, Bildquelle: Wikimedia commons

Fest dort verankert ist bereits Antonín Dvořáks Klavierquintett Opus 81 A-Dur. Es war bereits so oft im Programm, daß Geschäftsführer Tobias Teumer fürchtete, das Publikum könne es schon mitsingen, weshalb sich das Festival diesmal eigentlich für Dvoraks frühes Klavierquintett Opus 5 entschieden hatte. Leider steht es ebenso in A-Dur, der Opus-Zusatz wurde übersehen, und fast alle beteiligten Musiker (Momo Kodama / Klavier, Mira Wang und Stella Chen / Violine, Sara Ferrández / Viola sowie Zlatomir Fung / Violoncello) reisten für das Standardwerk vorbereitet an. Das Publikum war dem offenbar nicht überdrüssig – die Beliebtheit von Opus 81 ist eben berechtigt!

Zunächst wirkte Mira Wangs dominierende Violine noch etwas vordergründig, schienen die Streicher nicht »eins« zu sein, doch nach und nach verschmolzen sie vor dem berauschend-virulenten Hintergrund des Klaviers. Gerade die Entwicklung des zweiten Satzes, von Sara Ferrández‘ traumhaft schöner Viola umschlossen, geriet pointiert, das Finale gipfelte in einem feurigen Tutti.

Mitgesungen hatte niemand, die Gänse waren von vornherein durch die Ortsverlegung ausgetrickst worden. Einziger Nachteil: das entgangene Dvořák-Frühwerk erfordert wohl mindestens einen 32. Jahrgang des MBF. Vorschlag: da sich die digitale Datenübertragung als so unzuverlässig erwiesen hat, sollte man vielleicht zur Tradition reitender Boten zurückkehren? Ein feuriges Roß dürfte sich in Moritzburg doch finden lassen …

9. August 2023, Wolfram Quellmalz

https://www.moritzburgfestival.de/

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