Vorsicht, Zauber!

Lehramtsstudenten brachten Henry Purcells »Dido und Aeneas« auf die Bühne

So zuverlässig wie die Jahresproduktionen der Opernklasse der Hochschule für Musik haben sich mittlerweile die Inszenierungen der Lehramtsstudenten am Herbstbeginn im Kalender etabliert. Die aktuelle Produktion, Henry Purcells »Dido und Aeneas« (Libretto: Nahum Tate), ging am Wochenende gleich viermal über die Bühne des Labortheaters. Ähnlich wie die Opernklasse kooperieren die Studentinnen und Studenten mit ihren Kommilitonen von der Hochschule der Bildenden Künste, welche nicht nur die Bühne ihres Hauses zur Verfügung stellen, sondern diese auch Ausstatten (Jiyun Yeom und Zélie Vue) und die Kostüme (Kata Dorka Bense) anfertigen.

»Dido und Aeneas« erzählt eine tragische oder unerfüllte Liebesgeschichte: der aus dem zerstörten Troja geflohene Held Aeneas gelangt zu Dido. Dido verliebt sich in ihren Gast – ein Prinz und die Königin von Karthago, man könnte sie für ein ideales Paar halten. Doch Dido leidet zunächst an Kummer. Ihren Gefühlen nachzugeben, dazu muß sie erst überredet werden. Das Glück ist – hatte Dido es geahnt? – nur kurz, denn bösgesinnte Hexen wollen es ihr nehmen. Sie entsenden einen Geist, als Merkur aufzutreten und Aeneas den Befehl zu übermitteln, nach Italien weiterzusegeln, um dort Rom zu gründen – Dido bleibt verlassen und allein zurück und geht in den Suizid.

Henry Purcells »Dido und Aeneas« im Labortheater der Hochschule für Bildende Künste Dresden, Photo: HfM Dresden, © Annika Matthes

Lug, Trug und Hexerei – nicht nur auf der Bühne sind Pilze (bzw. deren Fruchtkörper, Maskenbild: Ekaterina Sommer und Ida Hofmann) zu sehen, der Chor trägt sie im Haar oder über dem Gewand mit sich herum. Zumindest dann, wenn sich die Szene oder der Mensch wandelt, das Böse hervortritt – ist alles ein Spuk oder haben sie sich am Gift der Pilze berauscht? Die Deutungsoffenheit gelingt verblüffend gut. Ohne spektakuläre Effekte, aber mit handwerklich gekonnten und gewitzten Kniffen vollziehen sich Wandel und Handlung. Schon zu Beginn gereicht ein am Boden liegendes, von den Studenten mit Wellenschlag versehenes Tuch, das Meer darzustellen. Erst sanft, dann stürmisch.

Ähnlich treten die zwei Seiten (oder zwei Orte) hervor. Dazu braucht es gar nicht viel Licht (Dorothée Lachnit und Zélie Vue) bzw. auch hier gerade die richtige Dosis. Clarissa Kanske (Regie) gelang es, die Erzählung konzise und durchgängig darzustellen, nebenbei nahm sie narrative Fäden ebenso spielerisch auf wie musikalische Effekte. Das kleine Ensemble um Dirigentin Clara-Maria Schina (sie wechselte sich am Wochenende mit Joschua Lettermann ab) und Susanne Grüttner (Violine 1) spielt auch einmal Vogelpfeifen oder wechselt zu Gläsern für einen ätherischen Klang. Und selbst wenn die Klarinetten keineswegs original Purcell sind, fügten sie sich stimmig ein – die gelungene musikalische Bearbeitung stammt von Maximilian Nicolai. Manches musikalische Zitat (oder manche Abweichung) wurde schön fremd, wenn Aeneas‘ Mannschaft zum Beispiel einen Shanty singt.

Die kurzweilige Stunde bot einen wilden Tanz unter Pilzen, dennoch – Dank guter Dosierung der so unterschiedlichen Elemente – blieben die Hauptpersonen im Mittelpunkt. Vor allem Clara Bergert als klagende Dido und Elisabeth Schütze als tatkräftige Vertraute Belinda überzeugten restlos und spielten die sehr gegensätzliche Emotionalität ohne Übermaß aus, Moritz Kube (Aeneas), Marlene Lorenz (Zauberin) sowie Anne-Maria Schmidt und Emma Friedrich (Hexen) rundeten ein Ensemble ab, das immer in Bewegung blieb, in seinen witzigen Kostümen die Handlung musikalisch auf den Punkt brachte. Dazu ein agiler, wandlungsfähiger Chor – eine gelungene Produktion!

Das Ensemble der Produktion, Photo: HfM Dresden, © Annika Matthes

Vielleicht auch, weil sie vom Zwischenmenschlichen lebte, das Werk nicht »verbog«, änderte oder in die Jetztzeit übertrug. Es geht also leider nicht gut aus, aber gerade in der Wehmut der verlassenen Dido, Clara Bergerts Ritornelle-Arie »When I am laid in earth« (wörtlich: Wenn ich in der Erde liege) von Klanggläsern sphärisch begleitet, war traurig, aber doch ein Höhepunkt. Wer wäre beim Schlußchor »Mit hängenden Flügeln kommt, ihr Liebesgötter, und streut Rosen auf ihr Grab. So zart und sanft wie einst ihr Herz, Haltet Wache hier und geht nie fort« nicht berührt? (Leider keine weiteren Vorstellungen.)

24. September 2023, Wolfram Quellmalz

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