Pianist Peter Rösel lud zur Klaviermatinée in den Dresdner Kulturpalast
Es ist schon faszinierend, welchem Wandel die Musik im Wien des späten 18. und frühen 19.Jahrhundert unterworfen war. Haydn, Mozart und Beethoven waren maßgeblich dafür verantwortlich. Ihre Geburtsjahre umspannen kaum einhundert Jahre, die jedoch (mindestens) zwei wesentliche Epochen einschließen. Johannes Brahms, der nur eine kleine Lücke zu Beethoven ließ, folgte dem nach. Im allgemeinen zählen wir heute Joseph Haydn und Wolfgang Amadé Mozart zur »Wiener Klassik«, doch lohnt es, dies zu hinterfragen – nicht wenige sehen beide oder zumindest Mozart heute als erste Romantiker.

Wie dem auch sei – schon die freundschaftlich-konstruktive Beziehung der Komponisten legt es nahe, ihre Werke gegenüberzustellen, zumal der viel ältere »Papa« Haydn Mozart überlebte und dessen Œuvre noch etwas nachsenden konnte. Beide wirkten (auch gleichzeitig) prägend für die Gattung der Klaviersonate, und so umschloß Peter Rösels Auswahl, die Sonate D-Dur (Hob. XVI:37) von Joseph Haydn sowie Fantasie (KV 475) und Sonate (KV 457), beide in c-Moll, von Wolfgang Amadé Mozart einen kleinen Kosmos.
Oder einen großen? Denn beide Komponisten gingen frei(zügig) mit den Formen um, ließen sie knapp und konzentriert oder zirkelten sie fein aus. So nahe sich die Werke waren, überzeugen sie doch bis heute in ihrer Originalität (ein Kennzeichen der Romantik) und Vielgestalt. Nicht allein das Auszirkeln, gerade das sinnende Verweilen kostete Peter Rösel aus und ermöglichte verblüffende Gegenüberstellungen und Einblicke: Lugte da in Haydns con brio nicht bereits ein wenig Beethovens »Wut über den verlorenen Groschen« durch? Und ist sein schlankes, wiewohl feinsinnig-nachdenkliches Largo nicht ein ähnlich erinnernder Rückblick wie in Mozarts Pariser a-Moll-Sonate (KV 310)? Haydns Finale bescherte Peter Rösel den freien Atem des Aufbruchs, bevor er sich dem mysteriös umhauchten Zwillingspaar KV 475 / 457 zuwandte.
So schön das Verweilen ist – der Pianist verlor sich nicht in zurückgelehnter Beschaulichkeit. Reflektiert waren gerade die langsamen Sätze, in denen immer der Kern eines Dramas schlummerte, das Peter Rösel entfachte. Zwar schien in den jeweils ersten Sätzen der Sonaten die Artikulation etwas verschwommen, dafür waren Verlauf und Bindung um so bestechender. Mozarts Fantasie und Sonate sind nicht allein Geschwister, wurde klar, sie bindet eine tiefe innere Gemeinsamkeit – sie zum Beispiel zu trennen und an Anfang und Ende eines Programms zu setzen, scheint nicht möglich.
Johannes Brahms‘ beiden Rhapsodien Opus 79 pflanzte Peter Rösel den emphatischen, lustvollen Hauch der Romantik (nun auf einem Höhepunkt) ein. Anders als Pianisten, welche gerade dieses Geschwisterpaar eruptiv aufbrausen lassen, gab es noch hier Momente zurückgenommenen Einhalts – fließend, eine Fermate kann Zentrum und Betonungspunkt sein.
Zwar früher entstanden, aber in seiner Komplexität für den Schlußpunkt angemessen, durfte Ludwig van Beethovens vorletzte Klaviersonate den Vormittag krönen. In Peter Rösels Ebenen der Verfeinerung gibt es mehr als schlichte Hell-Dunkel-Effekte, vielmehr wußte er Beethovens Feuer, musikalische Auflösung, den Wandel der Gefühle in den Tonartwechseln und die Verflechtungen der Fuge in einen fortspinnenden Erzählfluß zu kleiden.
Mit zwei Zugaben (Schumanns kanonischer Studie Nr. 5 aus Opus 56 und der »Träumerei«) verabschiedete sich der Pianist von seinem Publikum.
29. Januar 2024, Wolfram Quellmalz
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