Weinbergkirche Pillnitz feiert im Quintett
Wie gut, wenn man die Datierungslage so gut kennt, dann lassen sich Jubiläen entsprechend begehen. Statt eines Tages, an dem sich (kostspielig) aufwendig alles konzentriert und der die Gefahr birgt, das der eine oder andere gerade abwesend ist, feiert die Weinbergkirche Pillnitz bzw. ihre Interessengemeinschaft Weinbergkirche Pillnitz e. V. mit Gästen drei Jahre lang: »DREI für 300« heißt es seit 2023, als sich die Grundsteinlegung (24. Juni) und die Turmkopfaufsetzung (31. Oktober) »rund« jährten. Im kommenden Jahr (11. November) können wir dann auf dreihundert Jahre Kirchweihe zurückblicken.
Am vergangenen Sonntag ging das Ensemble International auf »Eine musikalische Reise durch die deutsche Romantik«. Jörg Faßmann und Lenka Matějáková (Violine), Uta Wylezol und Anya Dambeck (Viola) sowie Matthias Wilde (Violoncello), alle Musiker der Sächsischen Staatskapelle, begannen dabei chronologisch »hinten«, denn das musikalische Horsd’œuvre kam von Anton Bruckner. Sein Intermezzo d-Moll ist noch dazu kein – wie man denken könnte – Jugendwerk oder Studienobjekt, sondern ein Beitrag des bereits arrivierten Sinfonikers. Bruckner lebte 1879 schon in Wien und hatte fünf (vollwertige) Sinfonien geschrieben (mit allen Studien und Fassungen eigentlich sogar an die siebzehn), als er sich dem Streichquintett zuwandte. Joseph Hellmesberger befand das Scherzo dieses Werkes jedoch als zu schwer, was Bruckner zu einem Ersatz-Satz bewog.
Der offenbarte seinen Autor wie den Sinfoniker nicht wenig, ließ – trotz des knappen Raumes – das Thema in einem Rahmen wachsen, gönnt den Musikern eine unisono-Erholung (von Bruckner so bezeichnet), enthielt aber auch – bei Bruckner dann doch ein wenig überraschend – solistische Stimmen, die einer Frage gelassen zu antworten schienen. Im barocken Raum hatte der zweihundertjährige Romantiker Bruckner für eine bekömmliche Ouvertüre gesorgt.
An der Grenze der Epochen (Barock und Romantik) trafen sich Wolfgang Amadé Mozart und Felix Mendelssohn, interessant schon deshalb, weil der eine ein Bezugspunkt für den anderen war und viele in Mendelssohn einen Nachfolger Mozarts erkannten. Hinsichtlich des Streichquintetts zumindest waren sie sich einig und bevorzugten die »deutsche« Besetzung mit zwei Violen und einem Violoncello.
Wobei sich das Quintett noch teilen läßt, zumindest stellte Mozart in seinem g-Moll-Werk (KV 516) zunächst die »hellen« und »dunklen« Streicher in Trios gegenüber. Dem Ensemble International gelang es, dieses Gegenüber in Schattierungen darzustellen, es aber auch mit lebendigem Puls zu verbinden. Matthias Wilde erwies sich mit seinem Cello nicht als »allein auf weiter Flur« (was ja ebenso romantisch hätte sein können), sondern als stimmvolles Rückgrat des Quintetts. Mit dem Adagio ma non troppo gelang den Musikern vielleicht die schönste Gediegenheit, dem festlich abschließenden Allegro hätte Mozart zur 300-Jahr-Feier vielleicht sogar noch zwei Hornstimmen ad libitum hinzugefügt, sie schienen »im Geiste« bereits enthalten.

Nach der Pause überließ Jörg Faßmann Lenka Matějáková das erste Pult, die übrige Besetzung blieb unverändert. Und bot einen unerwartet temperamentvollen Mendelssohn! Wie schön, wenn man den »Elfenkomponisten« mit so viel Feuer hören darf! Denn »romantisch« setzt ja keineswegs nur zarte Bande und laue Frühlingslüftchen voraus – hier durfte Felix Mendelssohns Streichquintett B-Dur (Opus 87) einmal mit Verve durch die Kirche »fetzen«, wofür schon das einleitende Vibrato, welches die Melodiestimme der ersten Geige umgab, eine Grundlage gab. Die prickelnden Pizzicati und die Gegenstimmen (vor allem der zweite Viola) belebten die Szenerie zusätzlich, die im dritten Satz (Adagio e lento) noch um Schattierungen bereichert wurde. Wie dies noch steigern, wenn der letzte Satz nicht nur vivace wie der erste, sondern molto vivace verlangt? Nicht mit noch mehr Feuer, sondern noch größerer Luftigkeit gelang es, diese Belebung noch auszuweiten.
30. September 2024, Wolfram Quellmalz
DREI für 300 geht weiter: am Sonntag findet 11:00 Uhr ein musikalischer Erntedank-Festgottesdienst mit Bach-Kantate in der Weinbergkirche statt, danach gibt es draußen ein Weinfest und Markttreiben. Am 25. Oktober (19:00 Uhr) lädt die Kirche zu »Ganz großes Kino« ein, am 31. Oktober (15:00 Uhr) zu einem Konzert zum Reformationstag (Violoncello und Klavier).
Spendenaufruf für die Kirche Großröhrsdorf und aktuelle Informationen: https://www.kirche-grossroehrsdorf.de/