Einhundertfünfzig Jahre in einem Kammerabend

Von 1842 bis in die Gegenwart führte der vierte Abend der Sächsischen Staatskapelle Dresden, zu dem Werke Antonio Pascullis und Edward Elgars zu hören waren. Darüber hinaus wurde eine Komposition des Kapell-Mitgliedes Petr Popelka aufgeführt.

Kurzfristig war das Programm wegen einer Erkrankung geändert worden, weshalb anstelle eines Quintetts von Jan Ladislav Dusík das »Concerto sopra motivi dell’opera »La favorita« di Donizetti« für Oboe und Klavier (ein Konzert, welches verschiedene Motive der Oper »La favorite« verarbeitet) von Antonio Pasculli erklang. Céline Moinet hat Werke dieses Komponisten, Phantasien etwa oder eine Hommage an Vincenco Bellini, schon mehrfach aufgegriffen. Im Kammerabend am Sonntag spielte Sie (auf der Oboe d’amore) gekonnt und virtuos, aber auch einfühlsam gehaucht. Pascullis zwischen Konzert und Sonate mäanderndes Stück verlangt Zungen-, Lungen- und Fingerfertigkeit gleichermaßen, dazu Einfühlungsvermögen für eine »Mondscheinpassage«. Begeistern konnte aber auch Pianistin Wakako Tani, schon mehrfach Konzertpartnerin von Céline Moinet, mit präzisen, geschmackvoll vollendetem und kultiviertem Anschlag, ganz abgesehen von der musikalischen Zweisamkeit der beiden Musikerinnen.

Petr Popelkas »Akademische Festouvertüre« kann den Spaß des Schreibens und Aufführens nicht verbergen. Für die Akademie des Orchesters des Bayerischen Rundfunks entstanden, sprüht es vor Ideen und Anspielungen, fordert von jedem einzelnen der achtzehn Musiker aber auch Einsatz und Können auf höchstem Niveau. Es jagt dahin, lärmt und provoziert auch einmal strawinskiös – noch schöner war es sicher zur Uraufführung in Bayern, mit Weißbier und Leberkäs!

Durch die Programmänderung an letzte Stelle gerückt erklang abschließend Edward Elgars Sonate für Violine und Klavier e-Moll, dieser sagenhaften Tonart. Der Tradition verhaftet, bietet das Werk nur dann neues, wenn man sich darauf einläßt, anderenfalls gerät es in Gefahr, einfach »hinter Brahms« einsortiert zu werden. Doch zum Sortieren gehen wir ja nicht ins Konzert! Spitzen, Borten und Brokat könnte man die Verzierungen nennen, die Elgar als gereifter Mann 1918 seiner Sonate andichtete. Im Jahr, als der erste Weltkrieg zu Ende ging, haben Komponisten wie Alban Berg, Claude Debussy oder Arnold Schönberg ganz anderes geschaffen, auch hatte die Kammermusik für Edward Elgar (wie für die »Insel« generell) wohl nicht den Stellenwert wie hierzulande. Gerade darin liegt aber auch die Herausforderung, das Werk dem Schattendasein oder der Verurteilung zu entreißen. Reinhard Krauß und Markus Appelt bedachten es dann auch mit feinem Strich, bürsteten den Brokat, so daß seine Struktur hörbar wurde, gönnten dem Werk aber auch einen »großen Bogen«. Ein Rückblick auf Elgar, eine andere Facette, eben kein »Standard«.

10. März 2015, Wolfram Quellmalz

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