Kleine und große Jubiläen – 10. »Dresdner Abend« der Philharmonie im Hygienemuseum

Im Oktober wird die Konzertreihe den dritten Geburtstag feiern, mit dem 10. »Dresdner Abend« gab es am vergangenen Mittwoch schon ein kleines Jubiläum zu feiern. Und ein größeres: den 200. Geburtstag des bei Meißen geborenen Komponisten Robert Volkmann. Zwei seiner Serenaden schlossen ein Cellokonzert von Ernst Toch und eine Passacaglia concertante Sándor Veress‘ ein. Was auch dazugehört: Konzerte werden meist von Solisten aus den eigenen Reihen gespielt. Spätestens beim 10. Abend darf man wohl von »Tradition« sprechen.

Den Wiener Ernst Toch zog es über mehrere Stationen nach Berlin, doch verließ er bereits 1933 Deutschland, ging über Paris und London nach New York. Sein Streichquartett op. 26 von 1919 gilt als Schlüsselwerk der deutschen Musik nach dem ersten Weltkrieg, bis 1933 hatte er mit drei Opern auf sich gemacht, sein 1924 entstandenes Cellokonzert wurde zur Uraufführung von keinem geringeren als Emanuel Feuerbach gespielt. Am Mittwoch übernahm Matthias Bräutigam die Rolle des Solisten, umgeben von Streichern und Bläsern des Philharmonischen Kammerorchesters, die in kleinster Besetzung um den Cellisten gruppiert waren. Tochs Werk spielt mit den Formen: nicht Solist und Tutti stellt er gegenüber, sondern Solist, Streicher und Bläser, die meist gleichberechtigte Partner sind. Dazu mischt er sogar eine Pauke. Das Cello tauscht sich zunächst mit jeweils einer der Gruppen aus, nach und nach verwachsen diese aber mehr. Zunächst stimmen die Bläser eine Harmoniemusik an, einzelne markante Soli gibt es, von der Klarinette (Fabian Dir) oder der Oboe (Undine Röhner-Stolle) zum Beispiel, aber auch einen Dialog Solocello-Orchestercello (Ulf Prelle). Der dritte Satz ist geprägt von langen Kadenzen des Solisten. Matthias Bräutigam zündete nicht nur ein furioses Feuerwerk, sondern sorgte ebenso für gesangliche Momente. Dafür wurde er vom Publikum noch viele Male hervorgeklatscht.

Nicht minder interessant und spannend war Sándor Veress‘ konzertante Passacaglia. Die vier eng verwobenen Sätze beginnen in den Strukturen der klassischen Passacaglia, die auf ostinaten Variationen aufbaut. Veress hat diese Variationsform mit der Zwölftonmusik geschickt verknüpft, so daß man letztere nicht ohne weiteres erkennt – Schönberg klingt anders. Die Passacaglia beschleunigt in zwei Stufen, wächst zunächst in Vierteln und Achteln, bevor das Tempo noch einmal zulegt. Für Johannes Pfeiffer (Oboe) bedeutete das lange Passagen voller Triller und Tonskalen, aber auch einen nasalen, deklamierenden »Sprechgesang«. Gleichermaßen virtuos wie ausdrucksstark wurde er dem gerecht. Wie bei Toch gewinnt das Werk durch Akzente des Solisten und des Orchesters, die, zwischen Parlando und bildhaften Tonbeschreibungen, an Wassertropfen und einsame Vogelgesänge erinnernd, viele Überraschungen bereithielten.

Moderne Werke des 20. und 21. Jahrhunderts sind ebenso Bestandteil der »Dresdner Abende« wie die Rückbesinnung an tiefer in der Tradition zurückliegende. Robert Volkmann, der von Meißen in die Welt zog, in Leipzig, Prag und Budapest Spuren hinterließ und hochgeehrt war, hat Serenaden geschrieben, die an Brahms und Dvořák erinnern, mit Zitaten spielen (wie Brahms, nur waren sie bei ihm verwobener und mehr versteckt). Man fragt sich, ob Volkmann, gerade in der zweiten Serenade, nicht sogar genug »Material« für eine Sinfonie gefunden hätte. Golden strahlend spielten die Streicher des Philharmonischen Kammerorchesters, verbanden belebenden Rhythmus und tänzerische Motive, entwickelten Harmonie und schwelgten, als gehörten Volkmanns Serenaden zum täglichen Repertoire. Es war aber eine Wiederentdeckung.

In der kommenden Saison wird es wieder drei »Dresdner Abende« geben. Darauf kann man sich freuen.

23. April 2015, Wolfram Quellmalz

Schreiben Sie einen Kommentar

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Verbinde mit %s