Mittelsächsische Philharmonie überzeugt mit Bruckners 2.
Eigentlich sind Werke dieses Ausmaßes für solch ein Orchester zu groß. Oder anders herum: Die Sinfonien Anton Bruckners ist man heute von Orchestern gewohnt, deren Streicherapparat um vieles größer ist, teilweise um ein mehrfaches. Auf der anderen Seite: Warum sollen Konzertbesucher in Freiberg oder Döbeln auf Bruckners Sinfonien verzichten müssen?
An den Beginn hatte Raoul Grüneis Boris Blachers zweites Klavierkonzert gestellt. Seoung-eun Cha lehrt an der Musikhochschule Mannheim, spielt regelmäßig mit dem Sinfonie Orchester Heilbronn und übernahm am Donnerstag und Freitag die Solistenrolle. Das symmetrisch und beinahe geometrisch aufgebaute Werk faßt Klavier, Streicher, Bläser und Schlagwerk als gleichberechtigte Partner auf. Struktur und Rhythmus prägen die Musik, weniger melodiöse Ideen. Akkordsprünge, verschliffene Stufungen und Variationen herrschen vor, Streicher und Klavier teilen sich die sinfonischen Untermalungen, während immer wieder vor allem den Bläsern prägnante Rufe zugeordnet sind. Lebhafte Passagen wechseln sich mit wiegenden, beruhigenden. Die Mittelsächsische Philharmonie und Seoung-eun Cha waren vor allem auf korrekte Details und Metrik bedacht und brachten ihrem Publikum ein Stück näher, das viele wohl für weniger zugänglich gehalten hatten.
Und dann Bruckner. Den Zusatz »in Minimalbesetzung« dachte vielleicht der eine oder andere – er vergaß es schnell. Denn wie homogen, dicht, atmosphärisch Raoul Grüneis diese Sinfonie formte, war beeindruckend! Immer wieder formte das Orchester feine Idylle, traten die Cellogruppe oder die Bläser hervor. Mit beeindruckender Homogenität wurde hier Klang vollzogen, der von exakten Einsätzen wie Ausklängen gekennzeichnet war – alles auf den Punkt genau. Und dann auch noch spannend! Denn Details alleine können auch langweilen, vor allem bei einem fast einstündigen Werk. Doch diese Sinfonie war Spannung pur, selbst Bruckners viele »Pausen« wurden dramatisch aufgeladen. Mit dem Scherzo lockerte sich die Stimmung, um gleich abschließend zum dramatischen Finale aufzubrausen. Bruckner mit kleiner Besetzung? Es geht DOCH!
23. Mai 2015, Wolfram Quellmalz
Seoung-eun Cha ist nicht nur als Solistin, sondern auch als Kammermusikerin tätig und wird am 14. Juni auf Schloß Nossen zu erleben sein. Mit zwei Kollegen gibt sie dort ein Kammerkonzert unter dem Titel »Geschichten aus dem Quartier Latin«.