Quatuor Ebène im Konzertsaal der Musikhochschule
Seit eineinhalb Jahrzehnten hat sich das Quatuor Ebène einen festen Platz im Konzertleben erobert, wurde mit Preisen geehrt, vom Publikum bejubelt, hat mit berühmten Partnern musiziert – auch außerhalb der Klassik. Im vergangenen Jahr stand es vor einem Einschnitt – Bratschist Mathieu Herzog hatte sich nach zwei Jahren Bedenkzeit entschlossen, das Ensemble zu verlassen, um seine Karriere als Dirigent künftig stärker zu fokussieren. Am Wechsel eines Mitgliedes können Quartette auch zerbrechen – dies scheint beim Quatuor Ebène, wie sich das Dresdner Publikum am vergangenen Donnerstag überzeugen konnte, abgewendet. Mit Adrien Boisseau hat man einen Nachfolger finden können, und offenbar ist die »Transplantation« erfolgreich gewesen. Mit Haydn, Dutilleux und Beethoven begeisterte das Quatuor Ebène auch in der Neubesetzung.
Man hat sich also Zeit gelassen bzw. hat die Zeit gereicht, die vakante Stelle adäquat auszufüllen. Auch beim Stimmen ließ man sich Zeit und das Publikum etwas warten – das musikalische Ergebnis ging vor. Und dies war eine innige Übereinstimmung, ein gemeinsamer Klang, der große Emotionen erlaubte, aber auch allerfeinste Nuancen wahrnehmbar werden ließ. Joseph Haydns Streichquartett Nr. 62 in C-Dur begann das Quatuor Ebène fröhlich, bärig brummend, aber auch mit außerordentlichem Feinsinn. Die Variationen des zweiten Satzes beeindruckten vor allem dadurch, daß sie die tiefe Verbundenheit der vier Musiker zeigte, aus der sich die einzelnen Solostimmen erhoben wie aus einem musikalischen Nährboden. Mit packendem Zugriff verbreitete das Quatuor Ebène Spannung bis zum letzten Ton.
Das machte neugierig, nun stand Henri Dutilleux‘ »Ainsi la nuit« auf dem Programm. In den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden, fühlte sich Dutilleux der sogenannten »Avantgarde« dieser Zeit wenig verbunden, dafür Komponisten wie Debussy oder Rousselt näher, ging seinen eigenen Weg. Markant, scharfkantig ist sein Quartett manchmal, aber auch voller impressionistischer Farben und Klänge. Oft sorgen drei der Musiker für ein klangliches Gewebe, aus dem sich ein Solist, mit wenigen Strichen manchmal nur, erhebt. Raphaël Merlin (Violoncello) sorgte ganz ohne Vibrato für fremde, an Holzbläser, einen Zink oder gar eine menschliche Stimme erinnernde Klänge. Nächtliche Ruhe oder Sonnenglast, all das zeichnete Dutilleux nach und endete mit Anklängen an Strawinsky. Für ihre energiegeladene Interpretation erntete das Quatuor Ebène schon jetzt viel Beifall und einige Bravos.
Den Abschluß bildete eines der letzten Quartette Ludwig van Beethovens, Nr. 15, op. 132 – fünfsätzig, übergroß, inhaltsschwer, auratisch. Kraftvoll, vibrierend und in präziser Übereinstimmung – man könnte fast von »Perfektion« sprechen, wenn sich dieser technokratische Begriff für alles Musische nicht verbieten würde – spielte das Quatuor Ebène energiegeladen, verschmolz wiederum in einem Klang. Mit dosiertem Vibrato Akzente setzend – auch hier – einmal obertönig (zweiter Satz), hat der Klang der vier Franzosen etwas zwingendes, ist voller dramatischer Wendungen. Und wenn es im dritten Satz, der Canzona, zu einer auf Beethovens überstandene Krankheit zurückgeführten Beruhigung kommt, nahmen schon die ersten Töne gefangen, hatten etwas erlösendes. Wie schon bei Haydn überzeugten auch bei Beethoven die markanten Soli, die sich aus dem Quartett erhoben und wieder in den gemeinsamen Klang zurückführten. Durchdringend, dringlich, endete der Abend. Dem Wunsch nach einer Zugabe wollte das Quartett nicht entsprechen. Vielleicht die »Fuge« (op. 133) wäre nach dem Spätwerk noch geeignet gewesen, kein beliebiges Werk. Doch diese (Fuge) hatte das Quartett (in der neuen Besetzung) noch nicht erarbeitet. Und für ein »Zuckerstückchen« war der Abend zu schade.
29. Mai 2015, Wolfram Quellmalz