Klanggewaltig und beeindruckend

Franz Liszts Missa Solemnis mit dem Chor der Frauenkirche und der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz

Einigen seinen Zeitgenossen war er doppelt suspekt gewesen, der ehemalige »Salonlöwe« Franz Liszt, um den sich nicht wenige, auch erotische Phantasien anregende Legenden rankten, als er sich in späteren Jahren geistlichen Werken zuwandte. Suspekt auch wegen seines musikalischen Stils: Die Strömung des Caecilianismus seiner Zeit, den auch er noch aufgreifen sollte, bezog sich auf Palestrina, Liszt dagegen brachte zunächst die Ideen seiner sinfonischen Dichtungen ein. Auch die Missa Solemnis oder »Graner Messe« (Liszt schrieb das Auftragswerk für die Weihe der wieder aufgebauten Graner Basilika 1856), ein frühes seiner größeren geistlichen Werke, läßt der Komponist sinfonisch mächtig anschwellen.

Die Missa Solemnis gehört der katholischen Liturgie an – kein Werk für die Sonntagsmusik in der Frauenkirche. Zum zehnjährigen Bestehen des Frauenkirchenchores war es aber offenbar ein Anliegen des Frauenkirchenkantors Matthias Grünert gewesen, die »Graner Messe« hier zumindest einmal im Konzert erklingen zu lassen. Als musikalische Partner hatte er sich die Chemnitzer Robert-Schumann-Philharmonie und Martin Strohhäcker an der Orgel sowie vier Gesangssolisten gewählt.

Der Chor, der mit diesem Konzert sein Jubiläum feierte, setzt sich aus ehrenamtlichen Sängern zusammen und es ist erstaunlich, welches Maß an Farbgebung und Textverständlichkeit er erreicht. Im Altarraum hinter dem Orchester aufgestellt, war er meist im sinfonischen Sinne für die emotionale Deutung verantwortlich, hatte Hoffnung, Dank oder auch Lobpreisung zu gestalten. Oft unterstützte er damit den Text der Solisten, immer wieder aber auch trat er im Austausch mit Orchester und Orgel besonders klangschön hervor, wie zu Beginn des Credos oder im abschließendem »Pacem«-Ausruf.

Stephanie Krone (Sopran), Rahel Haar (Alt), Eric Stoklossa (Tenor) und Andreas Scheibner(Baß) erwiesen sich als versierte Gestalter, die dem emotionalen Schönheitsideal Liszts entsprachen. Daß die stimmlich reiferen Krone und Scheibnerkeine Mühe hatten, sich auch gegen den versammelten Chor und das Orchester durchzusetzen und die jugendlich-schlankeren Stimmen hier mehr Kraft bedurften, war weniger einem Defizit geschuldet als schlicht der musikalischen Gewalt, die Liszt immer wieder entfesselt. Gerade in den ersten Teilen läßt er Sänger, Orchester und Orgel mächtig klingen und ist vom schlichten Palestrina-Stil weit entfernt. Die Mühelosigkeit, mit der sich vor allem Andreas Scheibnerstetes durchsetzte, war beeindruckend. Dennoch hat Liszt nicht ganz auf zarte Klänge verzichtet. So beruhigen im Credo Harfe und Tenor, auch gibt es immer wieder Einschnitte der Stille, sorgen im Sanctus Holzbläser für ein Erwachen und Besinnen vor dem »Hosianna«.

Die Robert-Schumann-Philharmonie gehört zu den bewährten Partnern des Frauenkirchenchores. Vor allem ist sie aber auch in der Musik des 19. Jahrhunderts besonders tief verwurzelt und in der Lage, den üppigen Liszt-Klang zu gestalten. Matthias Grünert leitete Sänger und Orchester mit klaren Gesten und in Kenntnis seines Kirchenraumes. So wurde trotz entfesselter Klanggewalten waberiges Getöse vermieden.

15. Juni 2015, Wolfram Quellmalz

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