Amir Tebenikhin bei den »Meistern auf Flügeln«
Noch gehört Amir Tebenikhin nicht dem Kreis der bekanntesten Nachwuchspianisten an, noch. Mit seinem Plattenvertrag beim Label Genuin könnte sich dies aber bald ändern. Für Musikfreunde und Liebhaber von Klavierabenden ist er schon länger ein Geheimtip. Der Harenberg-Musikkalender machte bereits vor Jahren auf ihn aufmerksam, da hatte der gebürtige Moskauer gerade den Anton-Rubinstein-Wettbewerb in Dresden gewonnen (2007). Und in den Konzertreihen der Veranstalter taucht sein Name mittlerweile neben denen von Herbert Schuch und Alexey Gorlatch auf, oder neben Peter Rösel, mit dem die neue Konzertreihe in Chemnitz in diesem Jahr begann.
Für den Sonntag hatte Amir Tebenikhin eine kleine Auswahl seines Könnens mit in die Stadthalle Chemnitz gebracht. Johann Sebastian Bachs Französische Suite Nr. 5 entstand einst für das Klavierbüchlein der zweiten Frau des Komponisten. Obertonreich und ariös gestaltete Amir Tebenikhin die Sarabande, formte die Gavotte zum Capriccio, blieb in Anschlag und Gestaltung mit wenig Pedal stets klar und durchsichtig, den Abschluß der Gigue überzog er allerdings mit ein wenig Überschwung.
Wolfgang Amadeus Mozarts F-Dur Sonate KV 332 gab der Pianist dann jenes Ebenmaß, das diese Werke aufleuchten läßt, denn sie vertragen Überzeichnung und eigensinnige Betonungen oder Tempi nicht. Hier bewies Amir Tebenikhin nicht nur Musikalität, sondern auch viel Gefühl bei der Gestaltung der Themen. Mozart hat (auch) hier den leichtfüßigen, heiteren Charakter nicht einfach in den Vordergrund gestellt, sondern mit Moll-Themen, Synkopen und scharfen Rhythmen Gegensätze geschaffen, ohne aber musikalische Konflikte zu betonen. Amir Tebenikhin verlieh der Sonate ein Fließen, ohne an Gegensätzen Widersprüche zu provozieren oder Stockung zu verursachen.
Auch in Franz Schuberts kleiner A-Dur-Sonate (D664) blieb der Pianist dabei, Themen auszuformen und das Miteinander der Gegensätze zu gestalten. Dem liedhaften Charakter stellte er das dunkle Seitenthema gegenüber, ließ Töne ebenso perlen wie er zuzupacken vermochte.
Nach der Pause drang das Programm weiter in die Romantik, und hier vor allem die virtuosen Salonstückchen vor. Frédéric Chopins erste Ballade ist ein Meilenstein, sein zweites Scherzo verlangt nicht weniger Finesse. Amir Tebenikhin fand auch hier reichhaltige Mittel der Gestaltung, variierte Klangfarben und Tempi – auch das verriet schon große Meisterschaft. Mit etwas weniger Kontrasten könnte er auch in den Stücken für den »Salonlöwen« noch mehr Fluß erreichen. Gerade in den Anfängen (Mozarts Allegro assai) oder Schlußtakten (Chopin) bürdet der Pianist den Stücken manchmal noch zu viel Betonung auf oder läßt ihnen wenig Zeit zur Entfaltung.
Mit Sergej Prokofjews berühmter »Toccata« stand ein typisches Zugabestück als letzter Punkt auf dem Programmzettel. Brillant gespielt, gab es dafür viel stehenden Applaus, doch als Extra danach nicht noch eine Steigerung, sondern einen wiederum klangfarbigen Auszug aus Peter Tschaikowskis »Jahreszeiten«.
21. September, Wolfram Quellmalz