Eigentlich sollte es nur ein ganz normaler Konzertbesuch werden, zum Zuhören diesmal, ohne Rezension, aber ohne Nachwirkung ist er dann doch nicht geblieben: Am gestrigen Sonntag, zur besten Vesperzeit, hatten sich viele Musikfreunde in Dresden-Striesen eingefunden, um dem verstärkten Kammerorchester der Versöhnungskirche unter der Leitung Margret Leidenbergers und Martin Strohhäcker an der Jahn-Orgel zuzuhören. Und nicht nur das, denn das Konzert wurde mitgeschnitten und soll in naher Zukunft auf CD verfügbar sein (nähere Informationen dazu finden Sie dann unter: www.kirchgemeinde-dresden-blasewitz.de). Nach der prächtigen Händel-Aufnahme Holger Gehrings mit dem Barockorchester der Kreuzkirche im vergangenen November wird es dann eine weitere CD mit Orgelkonzerten geben, die in Dresden entstanden ist. Diesmal jedoch stehen vor allem (jedoch nicht ausschließlich) romantische Werke im Mittelpunkt.
Die beiden Orgelkonzerte Joseph Gabriel Rheinbergers sind zumindest Freunden der Gattung bekannt, auch gibt es die Werke auf CD und Schallplatte (letzteres mit Andreas Juffinger und dem Radio-Symphonie-Orchester Berlin unter Hartmut Haenchen, vor fast zwanzig Jahren entstanden). Doch muß der Aufnahmekatalog bei Denis Bédard, Karl Hoyer und Gerard Bunk passen. Während es im Fall von Karl Hoyer nur zu einem kurzen Wikipedia-Eintrag reicht, hat der Bunk-Freundeskreis im Dortmunder Bachchor an St. Reinoldi e. V. immerhin eine eigene Internetseite eingerichtet (www.gerardbunk.de). Mit dem »Concerto« des 1950 geborenen Denis Bédard gab es aber auch ein zeitgenössisches Werk zu hören.
Bedenkt man, daß das Kammerorchester der Versöhnungskirche kein professionelles ist, konnte die hohe Qualität der Aufführung nur erstaunen. Nicht einmal bei den gefährlichen Blechbläsern, wo selbst Berufshornisten vor Kieksern nicht gefeit sind, gab es Abstriche zu machen. Ganz offensichtlich hatte für die auch umfangreichen Werke (das Konzert dauerte fast eineinhalb Stunden) eine intensive Vorbereitung und Probenarbeit stattgefunden. Um so schöner, wenn es demnächst nachzuhören sein wird.
Karl Hoyers dreisätziges »Concertino« zeigte sich keineswegs als kleines »Konzertchen«, sondern hält in Format und Anlage dem Vergleich mit anderen Werken Stand. Und auch Gerard Bunks »Andante sostenuto« entsprach mit wirklich viel Eindringlichkeit mehr einem Konzert als einem Zugabenhäppchen. Daß die zeitgenössische Musik sehr wohl Zugang erlaubt und sich gerade in Kirchen und auf der Orgel großer Beliebtheit erfreuen kann, hat Denis Bédards Werk eindrucksvoll bewiesen.
Hier wie da weichen die Werke von einem schlichten schnell-langsam-schnell-Modus ab, so hat Bédard einen lyrischen »Chant mystique« in seine Konzertsuite eingepflanzt. Für weitere Soli neben der Orgel sorgten dabei Andrea Mamat (Viola) und Annegret Bernstein (Violine).
Zwischen Besinnlichkeit und gravitätischem Schreiten gehört Gabriel Joseph Rheinbergers zweites Orgelkonzert zu den prachtvollsten Gattungsbeispielen. Im Raum der Versöhnungskirche konnte die Jahn-Orgel auch jene Pracht entwickeln, welche dem Werk innewohnt.
7. März 2016, Wolfram Quellmalz