Erstes Schloßkonzert in diesem Jahr
Es war ein bißchen wie nach Hause kommen – seit 2012 mußte das Moritzburg Festival wegen Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten in den Monströsensaal des Schlosses ausweichen. Zwar hatten die Konzerte in den Anfangsjahren schon hier stattgefunden, doch der mit seinen weißen Wänden und Fenstern an drei Seiten (durch die man die Abenddämmerung erleben kann) viel hellere Speisesaal ist nicht nur größer, bietet also mehr Publikum Platz, er ist zudem der ungleich »freundlichere« und schönere. Sein historischer Holzfußboden erlaubt allerdings auch nach der Sanierung einen normalen Betrieb nicht. Doch mit zusätzlich aufgelegten Platten und Teppich ist er tragfähig, eben und »knarzfrei«, also für Konzerte geeignet.
Am Mittwochabend fand das erste Schloßkonzert des diesjährigen Moritzburg Festivals statt, und mit Wolfgang Amadeus Mozarts Oboenquartett F-Dur (KV 370) gab es ein gediegenes »Willkommen zurück«, an dem sich zwei der Musiker aus der Anfangszeit beteiligten: Peter Bruns (Violoncello) gehörte zu den Gründungsmitgliedern und ist im 25. Jahrgang wieder mit dabei, und auch Ulrich Eichenauer (Viola) gehörte schon 1993 zu den Musikern der ersten Stunden. Die Rolle der Primaria spielt bei Mozart jedoch die Oboe. Ramón Ortega Quero verlieh ihr Eleganz und Brillanz, Tobias Feldmann (Violine) vervollständigte das Quartett. Wie eine Sopranistin, die Arien singt, ließ Ramón Ortega Quero sein Instrument klingen, begeisterte vor allem mit Klangschönheit und Geschmeidigkeit. Doch trotz eines Ungleichgewichtes zugunsten der Oboe hat Mozart mit für ihn typischen Neckereien (Streichersoli) für Leichtigkeit und Ausgewogenheit gesorgt.
Doch was für einen Umschwung nach gab es, nachdem Mozarts Rondeau jubilierend verklungen war – Gabriel Faurés erstes Klavierquartett (c-Moll, Opus 15) beginnt schwärmerisch und dunkel. Gloria Chien hatte nun am Bösendorfer die Primaria-Rolle übernommen, unterstützt von Baiba Skride (Violine), Richard O’Neill (Viola) und erneut Peter Bruns. Mit großer Dichte beschworen die vier das Werk, das von der Musik Johannes Brahms‘ ebenso beeinflußt scheint wie von der Hinwendung zu neuen, typisch französischen Klangfarben. »Dichte« heißt nicht »Schwere«, besonders nicht in der Interpretation von Gloria Chien, Baiba Skride, Richard O’Neill und Peter Bruns, die jeweils mit feinen Gesangslinien für Momente inniger Zartheit sorgten – das einmalige Pizzicato im Allegro molto moderato konnte um so effektvoller aufblitzen. Warm und gedämpft (con sordino) wurden die Streicher im Scherzo gezupft, das sich ohne grelle Momente fügte, bevor das Adagio elegische Gelassenheit verströmen ließ. Das Finale war nun, mit gehöriger Verve gespielt, noch mitreißender.
Passend für den Abend der »Saalrückeroberung« gehörte der zweite Programmteil einer der Moritzburg-Hymnen: Antonin Dvořáks Streichquintett G-Dur Opus 77. An der Seite von Baiba Skride und Richard O’Neill vervollständigten nun Mira Wang (zweite Violine), Andreas Brantelid (Violoncello) und Dominic Seldis (Kontrabaß) die Formation. Auch Dvořáks Quintett beginnt dunkel, wird jedoch sogleich mit freundlichen Farben aufgehellt. Süffig erklang selbst das Scherzo und zeugte von jener Ausgewogenheit, die hier in Moritzburg so typisch ist – obwohl die Ensembles eben keine festen sind, sondern sich jeweils erst hier, binnen weniger Tage, finden. Das Poco andante war denn auch der zu erwartende Höhepunkt mit einem vom Kontrabaß verliehenen Puls.
10. August 2017, Wolfram Quellmalz