Vom Duo bis zur Serenade auf höchstem Niveau

Lange Nacht der Kammermusik in Moritzburg

Der Donnerstag in der ersten Woche des Moritzburg Festivals gehört jeweils den Studenten der Kammermusikakademie. Der Zulauf war wiederum enorm – um die 500 hatten sich beworben, Akademieleiterin Mira Wang und die Tutoren wählten die 48 besten aus. Sie kamen aus der ganzen Welt, aus den Musikzentren Europas, Asiens und Amerikas, aber auch Akademisten aus Brasilien, der Türkei oder Armenien nahmen in diesem Jahr teil und hatten bereits an der Orchesterwerkstatt, der Festivaleröffnung und dem traditionellen Picknick im Schloßpark Proschwitz mitgewirkt. Fünfunddreißig von ihnen stellten sich am Donnerstagabend dem Publikum in der Moritzburger Schloßkirche vor. Wie immer in verschiedenen Formationen und mit Werken aus Klassik, Romantik und Moderne. Neu in diesem Jahr war, daß das Publikum, welches am Ende des Abends jeweils den Akademiepreis kürt, drei Stimmen hatte: für Musik des 18., 19. und 20. Jahrhunderts wurde jeweils ein Preis ausgelobt (das 21. Jahrhundert blieb leider ausgespart). Diese Gruppierung sollte die Entscheidung vereinfachen, jedoch zeigte sich schnell, daß der gewünschte Effekt ausblieb. Zudem muß bedacht werden, daß solche Diversifizierung nicht unbedingt zur Schärfe beiträgt (die vielen Kategorien der Echo-Klassik-Preise können hier mahnendes Beispiel sein).

Doch ungeachtet solcher Überlegungen war das Konzert als solches wieder ein Erlebnis, die Qualität der Darbietungen exzellent. Es erstaunt jedes Jahr erneut, wieviel Werke die jungen Musiker in der kurzen Zeit miteinander erarbeiten, wobei es ihnen jeweils gelingt, sich aufeinander abzustimmen. Und mit jedem Jahr scheint das Niveau zu steigen. Dabei beschränkt sich die Akademie nicht auf das Lernen von Notentext und Üben von Technik, sondern legt Wert auf Klang und Auftrittserlebnis. Ob von den Mentoren angeregt oder selbst gesucht: die Formationen folgten nicht zwangsläufig der üblichen Stimmenaufstellung von links / hell nach rechts / dunkel, sondern stellten in Mozarts Flötenquartett KV 285 beispielsweise Flöte und Violine gegenüber oder nahmen für Felix Mendelssohn Bartholdys Streichquintett Opus 18 das Cello in die Mitte. Manche Überraschung gab es schon in der Stückauswahl, so das Opus 110 von Mendelssohn, ein Klaviersextett mit zwei Violen – das bekommt man selten zu hören, ganz abgesehen von Streichquartetten Pavel Haas‘ oder der Sonate für zwei Violinen des ungarischen Komponisten Miklós Rózsa. Tsung-Chih Lee und Sofya Vardanyan begeisterten das Publikum hier besonders mit technischen Vermögen, aber auch mitreißendem Ausdruck. Mit der größten Teilnehmerzahl nahm die Epoche des 19. Jahrhunderts verständlicherweise den größten Raum des Abends ein. Hier zu wählen war tatsächlich schwer: sollte es Carl Maria von Webers Klarinettenquintett Opus 34 sein (Astrid den Daas – Klarinette, Alice Ivy-Pemberton und Marija Radovanovic – Violinen, Julia Wojtaszek – Viola und Margarethe Vogler – Violoncello), das virtuos leuchtend, beflügelnd daherkam, oder doch eines der Werke Mendelssohns oder Dvořáks? Schließlich fiel die Entscheidung auf Yi-Hsin Wang (Klavier), Luis María Suárez Felipe (Violine) und Zachary Mowitz (Violoncello), die mit dem »Dumky-Trio« des Böhmen am meisten beeindruckt hatten. Auch in der »ältesten« Kategorie, dem 18. Jahrhundert, war es spannend. Erlesen hatten HyeRyung Lim (Flöte), Jakub Strzelecki (Violine), Lina-Marie Däunert (Viola) und Sophie Klaus (Violoncello) an zweiter Stelle der Programmfolge Wolfgang Amadeus Mozarts Flötenquartett dargeboten. Dabei gab es übrigens ein Wiedersehen: Lina-Marie Däunert hatte im April dieses Jahres in Meißen beim Internationalen Szymon Goldberg Wettbewerb mehrere Preise gewonnen. Kein Einzelfall – Wolf Hassinger war dem Moritzburger Publikum bereits aus dem letzten Jahr bekannt. Den Preis für Musik des 18. Jahrhunderts nahmen jedoch acht Bläser mit: mit Mozarts Serenade KV 375 hatten Lennart Höger und Barbora Trnčiková (Oboen), Astrid Den Daas und Anna Niedermühlbichler (Klarinetten), Isa Tavares und Maximilian Erb (Fagotte) sowie Tayanne Sepulveda de Jesus und Nalin Wongpiromsarn (Hörner) bekamen jene Musiker die verdiente Anerkennung, die während des Abends und auch in den Konzerten davor bereits mit ihrem blitzsauberen Spiel beeindruckt hatten – kein einziger Hornkiekser war da zu hören!

Spät, nach elf Uhr war es, als die Besucher die Kirche verließen. Viele von ihnen werden wiederkommen, aber auch manche der Akademisten. Vielleicht schon bald als »ordentliche« Teilnehmer des Moritzburg Festivals? Bestimmt!

11. August 2017, Wolfram Quellmalz

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