Liederabend mit Rolando Villazón im Dresdner Kulturpalast
Der Dresdner Kulturpalast beherbergt nicht nur die Dresdner Philharmonie, sondern mittlerweile auch eine ganze Reihe anderer Gäste – eigentlich wie schon früher, nur in einem viel besseren Saal. Am Freitag war im Rahmen einer Veranstaltung der DEAG der mexikanische Tenor Rolando Villazón mit einem Liederabend zu Gast. »Liederabend« meinte hier allerdings nicht Schubert oder Schumann, sondern im wesentlichen Arien mit Klavierbegleitung, wobei sich Villazón vor allem auf eher unbekannte Stücke herausgesucht hatte. Manche davon waren dafür um so brillanter.
Bekanntes Terrain also für Rolando Villazón, der auf den Opernbühnen der Welt nach wie vor zu Hause ist. Mittlerweile ebenso als Regisseur, ganz nebenbei hat er sich (unter anderem) als Autor einen Namen gemacht. Und als Comic-Zeichner. Und er moderiert auch ganz gern…
Was das Publikum an diesem Abend bekam, war vor allem eines: einen Vollblutdarsteller. Villazón agierte, gestikulierte, übernahm auch einmal verschiedene Rollen im Duett. In »Su, venite a consiglio« des genialen Alessandro Scarlatti sind Gefühl und Verstand eines Liebenden im Streit, bei Villazón – mit einem Schritt zur Seite und dann wieder zurück – waren es ganz offensichtlich Widersacher (das Gefühl gewann). In Giuseppe Verdis »Qui ti rimani…« hingegen trat er als Fante und Jacopo weniger »getrennt« auf, der Rollentausch ging für die meisten wohl unter. Lebhaft und mit Spielwitz kam der Tenor daher, schien des öfteren »Caramba!« zu sagen, sich selbst aufzupeitschen. Das gelang jedoch über weite Strecken nicht.
Was fehlte war stimmliche Präsenz und Sicherheit. Im Gegenteil blieb Villazón matt, obwohl ihm eine Steigerung gelang, vor allem durch sein lebhaftes Spiel. Ob Scarlatti, Giovanni Bononcini oder Francesco Durante – immer wieder gestaltete der Tenor kleine Szenen, manchmal fühlte man sich in Mozarts Welt. Und dennoch fehlte der erwartete Glanz. Vielleicht lag es an der Tagesform? Wer weiß. Dem Urteil, Villazón sei nach seinen Stimmkrisen nicht mehr der alte, möchte man sich nicht anschließen, es gab seitdem reichlich Gelegenheit, sich vom Gegenteil zu überzeugen. (Wie in »Les Contes d’Hoffmann«, München, bei uns in Heft 16.)
Die Pianistin Carrie-Ann Matheson war einfühlsame Begleiterin und Stütze an diesem Abend, entlockte ihrem Flügel Orchesterfarben und melancholische Liebeslieder. Mit Rolando Villazón verband sie eine emotionale Partnerschaft.
Anders als sonst ging Rolando Villazón kaum auf das Publikum ein, gerade die von manchen erwartete Moderation blieb aus. Musikalische Höhepunkte gab es einige, doch ergaben die sich immer aus der Szene heraus. So sprang der »Funke« leider nicht über, blieb auch der Zwischenapplaus kurz, trotz einigen Jubels. Zwar brachte das Publikum dem Tenor seine Verehrung nahe und erklatschte sich vier Zugaben (mit dem witzigen Höhepunkt »Funiculì, Funiculà«, in dem Carrie-Ann Matheson sehr zur Erheiterung aller mitsang – die Repetitorin als Wiederholerin der Schlußphrasen), doch war selbst diese Begeisterung schnell verflogen.
Es waren nicht nur kleine Unsicherheiten, ein Wegkippen der Stimme in der Höhe oder bei großen Tonsprüngen, es fehlt einfach etwas, an Verve, an Energie, an der villazóntypischen fröhlichen Unbändigkeit. Sie blieb bis zuletzt gespielt, aufgesetzt. Manche im Publikum waren enttäuscht, andere dennoch begeistert, sprangen auf. Trotzdem verließen auch sie den Kulturpalast recht schnell. Schade!
15. Oktober 2017, Wolfram Quellmalz