Dresdner Komponisten im Mittelpunkt

Singakademie mit gleich zwei Wiederaufführungen in der Annenkirche

Das Werkspektrum der Singakademie Dresden umfaßt neben bekannten Autoren auch Komponisten, die es dem Vergessen zu entreißen oder zu entdecken gibt. Uraufführungen gehören ebenso regelmäßig wie »Wiederweckungen« dazu. Zu letzteren zählten in der Vergangenheit Georg Gebel wie auch Christoph Ludwig Fehre. Nach dessen Johannespassion vor zwei Jahren stand am Sonnabend sein Passionsoratorium nach Picander auf dem Programm in der Annenkirche, wie schon so oft war das Orchester der Sinfonietta Dresden als musikalischer Partner beteiligt. Damit bereitete die Singakademie dem Komponisten (1718 bis 1772) ein besonderes Geburtstagsgeschenk, denn die Annenkirche war die zentrale Arbeitsstätte des vor dreihundert Jahren geborenen Fehre, der hier als Kantor und Organist wirkte.

Dem Oratorium vorangestellt war ein anderes Opus eines weiteren Dresdner (Hof-)Komponisten: die Missa Nr. 10 in e-Moll von Joseph Schuster (1748 bis 1812). Beide Werke werfen zahlreiche Fragen auf, von der exakten Entstehungszeit bis zu nachweislichen Aufführungen und Anlässen. Erhalten sind sie in Abschriften (Fehre) bzw. als Widmungspartitur (Schuster). Doch selbst wenn (oder gerade weil) viele, auch aufführungspraktische Umstände, nicht restlos geklärt sind, lohnt die Wiederentdeckung.

Das Programm erwies sich, wie Leiter Ekkehard Klemm in seiner Begrüßung sagte, gar noch umfangreicher als gedacht – ein gutes Stück Erarbeitung lag hinter seinen Musikern. Beide Werke werden nicht zuletzt durch zahlreiche Soli getragen, wofür Friederike Beykirch (Sopran), Julia Böhme (Alt), Jonas Finger und Konrad Furian (Tenor) sowie Damien Gastl (Bariton) gewonnen worden waren.

Im ersten Teil des Abends erklang Schusters Messe mit dem Quartett Beykirch / Böhme / Finger / Gastl, die sich zunächst mit dem Kyrie als eine Einheit vorstellten – schon in der Ausstrahlung konnten sie einer Bekräftigung der Texte entsprechen. Sie alle sind unter anderem aus Konzerten der Musikhochschule bekannt und es ist bemerkenswert, welche Entwicklung zum Beispiel Friederike Beykirch genommen hat, die ihrer Strahlkraft und ihrem lebhaften Vibrato eine erstaunliche Geschmeidigkeit hinzufügen konnte.

Ekkehard Klemm hatte, wohl der größeren Klarheit wegen, den Chor in drei Blöcke (Sopran | Tenor und Baß | Alt) unterteilt, was sich als zuträglich erwies. Gleich am Beginn der Messe bewies die Singakademie Gestaltungsvermögen mit einer beeindruckenden Chor-Fuge. Schusters Instrumentierung überraschte immer wieder und entsprach einer gestalterischen Untermalung, von der Sinfonietta mit Basis (Streicher) und erfrischenden Bläsern (vor allem Flöten, Oboen und Naturhörner) ausgefüllt.

Dies galt ebenso in Christoph Ludwig Fehres Passion, welche die sonst bekannte Folge von Rezitativ und Arie vor allem durch erzählerisch-innehaltende Soliloquien belebte. Zwar gibt es außer dem Eingang und dem Schluß keine großen Chorteile im Sinne einer Rolle des Volkes, wohl aber hat Fehre sieben (!) Choräle eingefügt – vielleicht ein Zeichen, daß die Annengemeinde und -kirche damals bereits musikalisch sehr aktiv war. Das Solistenquartett war nun auf ein -quintett angewachsen, um alle Rollen ausfüllen zu können, einmal mehr beeindruckte dabei Altistin Julia Böhme mit warmem Timbre und ihrem Gestaltungsvermögen, das auch in kleinen Gesten und Mühelosigkeit große Affekte erzielte.

24. März 2018, Wolfram Quellmalz

Hinterlasse einen Kommentar