Geistliche Chor-Musik von Heinrich Schütz in der St.-Petri-Kirche
In diesem Jahr erinnern wir uns nicht nur an den Beginn des Dreißigjährigen Krieges vor 400 Jahren, wir gedenken ebenso des Endes desselben wie jenes des Ersten Weltkrieges. Die Capella Trinitatis aus Chemnitz (mit Musikern aus ganz Deutschland) hatte hierfür zwei Programme aus der Geistlichen Chor-Musik Heinrich Schütz‘ zusammengestellt. Nachdem im Frühjahr Motetten zum Jahreskreis erklungen waren, umfaßten jene am Vorabend des Ewigkeitssonntages in der St.-Petri-Kirche aufgeführten den Lebensweg des Menschen von der Geburt bis zum Tode. Mit »Verley uns frieden« begann die Gesamtaufführung im Frühjahr, sie schloß sie am Sonnabend auch ab.
Heinrich Schütz hatte die 29 Motetten im Friedensjahr 1648 in Dresden verfaßt und der Stadt Leipzig und deren Chor (dem Thomanerchor) gewidmet. Insofern war es schön, daß das Werk nicht nur friedenskündend, sondern auch verbindend in Chemnitz (Freitag), Dresden und Leipzig (am Sonntag) erklang.
Die St.-Petri-Kirche der Leipziger Vorstadt steht nicht so oft im musikalischen Mittelpunkt, doch ist sie bemerkenswert. Seit einiger Zeit ist hier der Concentus Vocalis zu Hause, das Gastspiel der Capella Trinitatis profitierte ebenso von der Umgebung: so hell und schlicht wie die Ausmalung, so hell und klar ist die Akustik – wie geschaffen für Solostimmen. Christfried Brödel, Leiter des Projektes, hatte viel Wert auf eine möglichst getreue Aufführung gelegt, was sich auch im Programmheft in einer exakten Angabe der Besetzung niederschlug. Dies bedingte einen ständigen Wechsel in der Aufstellung, denn die Geistliche Chor-Musik war nicht für eine zyklische Aufführung, sondern für den Gottesdienst gedacht. Schütz ist es wichtig gewesen, den Charakter und die Textauslegung durch individuelle Stimmen zu unterstreichen.
Im Konzert war dies durch den Halbkreis der Vokalisten und Instrumentalisten zu erleben, die – wie vom Komponisten beabsichtigt – ihre Stimmen vereinigten. Tenor, Sopran und Baß sangen also jeweils gemeinsam im Consort mit Violine oder Viola da gamba.
Das Resultat war eindrucksvoll und großartig! Ob so licht und hell wie am Beginn von »Die Himmel erzählen die Ehre Gottes«, schwebend (»Unser Wandel ist im Himmel«) oder zuversichtlich volltönend im Abschluß (»Verley uns frieden« / »Gib unsern Fürsten und aller Obrigkeit«) – Friederike Urban und Christiane Wiese (Sopran), Thomas Riede (Altus), Christian Volkmann und Christian Pohlers (Tenor) sowie Johannes G. Schmidt (Baß) wußten mit ihren (duplierenden) Instrumentalpartnern ebenso einfühlsam und andächtig wie dem Leben und Gott zugewandt ergreifend zu singen. Fein und klug war die farbige Begleitung der Capella, die manchmal nur im Baß stützte, dann wieder festlich ausschmückte und Wünsche bekräftigte. Und wenn hier zwei der Solisten hervorgehoben werden, so bedeutet das nicht eine Zurücksetzung der anderen, doch Christian Volkmann und Friederike Urban (ge)fielen mit ihren klaren, tragfähigen Stimmen, ob solistisch oder im Chor, besonders. Dies lag nicht an einem herausgestellten Glanz, sondern an Feinheiten. Auch darin hatte Christfried Brödel Wert gelegt: kleine Nuancen waren es, die ein »er-freu-et« hervorhoben und belebten, ein »darum« betonten.
Eine gelungene Aufführung, die nicht von Anlässen überbestimmt war – man kann nur wünschen, daß es eine Fortsetzung gibt.
25. November 2018, Wolfram Quellmalz