Ausprobiert: Barocklounge mit Jean Rondeau

Jasmin Toccata im Ballsaal des Brauhauses Watzke

Unter »Lounge« versteht die Hintergrundbeschallung einer Bar, wobei es hier gerne um kultivierte und qualitativ hochwertige Musik geht, mit spielenden Musikern (und nicht vom Band). Wer in eine Bar gehen möchte, findet darin eine angenehme, anregende (oder beruhigende) Ergänzung. Wer jedoch der Musik wegen hingehen mag, macht sich vielleicht Sorgen wegen der Bargeräusche. Angesagt war noch dazu der Cembalist Jean Rondeau. »Rondeau« (»rund«) ist die französische Bezeichnung für eine Versform, ein Lied oder einen Tanz. Rondeaus sind Sätze einer Sinfonie und gehören beispielsweise zu Mozart und Haydn – sollte der Musiker tatsächlich so heißen?

Ja, offenbar ist es sein richtiger, kein Künstlername. Und: schließlich war es auch ein »richtiges« Konzert, was die Dresdner Musikfestspiele gestern boten, nur fand es im Ballsaal des Brauhauses Watzke statt. Das Publikum saß im Parkett, die drei Musiker des Trios »Jasmin Toccata« auf der Bühne, getrunken oder unterhalten wurde (sich) nur in der Pause.

Jean Rondeau gehört zu den bemerkenswertesten jungen Musikern und macht mit eigenen Werkauffassungen ebenso auf sich aufmerksam wie mit genreübergreifender Musik. Manche nehmen sein extravagantes Äußeres wichtig, so bekam der Künstler 2018 den Opus Klassik für die Solistische Interpretation des Jahres wegen seines »musikalischen Spektakels am Cembalo« und seiner »extravaganten Präsenz jenseits aller Etiketten« (Jurybegründung). Doch mag man annehmen, daß die Musik immer noch wichtiger ist – Zeit, dies zu überprüfen.

Gemeinsam mit Thomas Dunford (Laute) und Keyvan Chemirani (Trommel / Santur) spielte Jean Rondeau gestern im Duo und Trio traditionelle Barockmusik und orientalische Improvisationen. Keines der Werke war allein solistisch oder »original«, auch Georg Friedrich Händels Suite für Cembalo d-Moll (HWV 437) nicht. Vielmehr hangelten sich die Musiker gemeinsam an Noten oder thematischen Ideen entlang, fanden einen musikalischen Kern.

Dreimal erklang dabei ein Werk des Perkussionisten Keyvan Chemirani, der das Abendprogramm rahmte. Ausgehend von der Tradition mündlich überlieferter Themen und durch Lehrer auf Schüler weitergegebener Musik (im Gegensatz zu den akribisch notierten Stücken westlicher Komponisten) formte er melodische und rhythmische Elemente und Stimmungen um einen Ausgangspunkt, ein erdachtes oder überliefertes Thema. Die drei Instrumente treten dabei in Chromatik und Gesanglichkeit unterschiedlich auf – auch auf die Zarge einer Laute kann man klopfen, über die Bespannung einer Trommel wischen. Ergänzt wurde das Programm von Musik Antonio Solers, Bernardo Storaces und Henry Purcells, der sich – wie Lautenist Thomas Dunford meinte – mit seinem Grundbaß und den gesanglichen Themen hervorragend zum Improvisieren eigne. Und natürlich durfte eine besonders feine Variante von Händels »Lascia la spina« nicht fehlen.

Das war vor allem eingängig, geschmeidig, fließend – und unterhaltend. Damit entsprach es ziemlich genau dem, was versprochen war: eine Lounge, eine qualitativ hochwertige. Puristen oder solche, die sich mit klassischer europäischer und orientalischer Musik auskennen, mag manches zu seicht vorgekommen sein, ein wenig Show (das Spielen vom gemeinsamen Notenblatt, der demonstrative Schulterschluß beim Applaus) war dabei. So hätte man sich die Arrangements ausgefeilter bzw. die Improvisationen spontaner, luftiger gewünscht, die Auswahl der Werke noch mutiger. An Gefälligkeit mangelte es nicht, auch die Übergänge von Stücken und Soli (bzw. Duos) ohne Pause waren stimmig.

Am originellsten gerieten so die Zugaben: zwei Stücke (bzw. Variationen) aus den Pièces de clavecin von Jean-Philippe Rameau sowie – vom Lautenisten gesungen »Come again« (John Dowland).

4. Juni 2019, Wolfram Quellmalz

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