Maurice Stegers neue CD
Georg Friedrich Händel soll das Leben und die Mahlzeiten sehr genossen haben. Die Legende sagt, daß sich Händel reichlich zu Essen bestellt habe und seine Antwort, als der Wirt fragte, wann denn seine Gäste kommen, gewesen sei: »Welche Gäste? Das ist alles für mich!«
Überliefert ist auch, daß Händel nicht nur während seiner Mahlzeiten bzw. der seiner Gäste, sondern auch in Pausen gerne Musik spielen ließ. So erklangen zwischen den Akten von Opern Intermezzi, und Händels berühmte Orgelkonzerte sind ursprünglich als Zwischenstücke für die Aufführung seiner Oratorien gedacht. Dabei hat er sich clever seines eigenen »Materials« bedient, einerseits, um den Wiedererkennungseffekt zu nutzen, andererseits, um die Verbreitung seiner Werke zu unterstützen. Es war somit vollkommen normal (und kein bißchen »anrüchig«), wenn er dabei Themen aus Opernarien verwendete.
Das Orgelkonzert F-Dur HWV 293 wiederum ist nach einer Flötensonate (HWV 369) entstanden. Maurice Steger hat für seine neue Aufnahme eine Rückübertragung des Soloparts auf die Blockflöte vorgenommen, deren Stimme er in die Continuoorgel einbettet, die improvisierten Überleitungen zwischen den Sätzen wiederum entsprechen den Gewohnheiten der Konzertaufführungen in der Händelzeit.
Die ganze CD besteht aus solcherlei Bearbeitungen und Fassungen, so hat der Flötist eine Suite aus Ballettsätzen zusammengestellt, und auch die Triosonate c-Moll (HWV 386a) ist durch das Parodieverfahren (von Händels Hand) entstanden.
Angereichert wird die Zusammenstellung durch Stücke von Komponisten, die mit Händel im Austausch waren, wie der italienische Violinvirtuose Francesco Geminiani, den eine Freundschaft mit Händel verband, Gottfried Finger und William Babel, ein Kompositionsschüler Georg Friedrich Händels.
Was daraus entstanden ist, kann man absolut frisch und inspiriert nennen. Schon das einleitende Concerto wird vom gediegenen Ton Maurice Stegers und seiner brillanten Virtuosität getragen. Gerade Flöte und Orgel (die im Grunde aus vielen Flöten besteht), fügen sich harmonisch ineinander, ihr Klang bleibt intim und nicht aufgesetzt funkelnd. Die Harmonie kommt nicht von ungefähr, denn Maurice Steger hat sich als Begleiter das Le Cetra Barockorchester Basel ausgewählt, mit dem ihn eine innige Partnerschaft verbindet. Und so wundert es nicht, daß sich der Solist auch manches Mal ganz »heraushält« – in der Orchestersuite spielt meist das Orchester die Hauptrolle, und den Schluß der CD, überläßt er glatt seinem Cembalisten Sebastian Wienand für Händels Chaconne HWV 435. Dafür holt er sich an anderer Stelle einen »Nachschlag«: Nach der Gavotta. Allegro von Geminiani setzt Steger noch mit einem kurzen Triller nach und hat somit doch das letzte »Wort«.
Eleganz und Brillanz – was wollte man sich sonst denken als angemessene Unterhaltung während »Mr Handels Dinner«? Höchst erquicklich belebt die CD sommerliche Tage, wie sie ebenso für kurze, innige Momente sorgt, etwa durch Georg Fingers wunderschönen Ground oder in der Sonata a Flauto e Cembalo a-Moll (HWV 362) ohne Orchester. Wer mehr wissen möchte, findet im Beiheft nicht nur Erklärungen zu Hintergrund und Zusammenstellung der Werke von Peter Wollny, sondern auch eine vollständige Auflistung der Solisten und ihrer Instrumente.
25. Juni 2019, Wolfram Quellmalz
Maurice Steger (Blockflöten und Leitung), La Cetra Barockorchester Basel, Sebastian Wienand (Cembalo und Orgel) »Mr Handels Dinner«, Werke von Georg Friedrich Händel, Francesco Geminiani, Georg Finger und William Babell, erschienen bei Harmonia Mundi