Emil Rovner im Sonatenabend an der Hochschule für Musik in Dresden
Auch die Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden – einer der größten, wenn nicht der größte Konzertanbieter der Stadt! – ist in den Veranstaltungskalender zurückgekehrt. Am Sonnabend hatte sich Prof. Emil Rovner ein reines Beethovenprogramm zurechtgelegt. Darauf standen die zweite und die vierte Cellosonate sowie – in einer eigenen Fassung – die »Kreutzer-Sonate«.
Das Violoncello gehört ja zu jenen Instrumenten, denen man eine besondere Nähe zur menschlichen Stimme nachsagt. (Was sich nicht leugnen läßt. Nur in der Frage, ob Cello oder Oboe näher »dran« sind, wird es wohl nie Einigkeit geben.) Ob das Instrument von Emil Rovner noch besser singt, weil er nicht nur Professor für Violoncello, sondern zudem ausgebildeter Sänger ist? Das Singen liegt ihm offenbar hier wie da.
Doch das allein genügt nicht. Alla Ivanzhina (Klavier) war ihm eine kongeniale Partnerin. Überhaupt begeisterte diese Übereinstimmung, dieses Miteinander, dieses »miteinander atmen« (auch wenn Helmut Deutsch diese Formulierung berechtigterweise ablehnt). Was es meint, ist mehr als eine Gleichzeitigkeit zu erreichen: einer gemeinsamen Phrasierung zu folgen, aufeinander zu reagieren, zu reflektieren. Und gerade bei Beethoven ergibt sich aus solchen Reflexen Belebung.
So gab es mit der Sonate Opus 5 Nr. 2 (1796 entstanden) und ihren ersten beiden verknüpften Sätzen, die vom Adagio bis zum Presto reichen, neben einer tiefempfundenen Gesanglichkeit aufpolierte Akzente, die jedoch kein Selbstzweck waren, sondern vom stetigen Fluß getragen wurden. Der Austausch zwischen Rovner und Ivanzhina, der Wechsel von präludierendem Klavier und virtuosem Cello, sorgte zunächst für Aufbruchstimmung, deren musikalische Nachhaltigkeit und Vielfalt berückend war. Im Rondeau fand dies seine geradezu logische Fortsetzung und führte in einen leidenschaftlichen Vivace-Schluß.
Knapp zwanzig Jahre nach den frühen Sonaten schrieb Ludwig van Beethoven die Nummern vier und fünf. Opus 102 Nr. 1 gleicht zu Beginn einem Abendgesang, aus dem sich bald ein emphatisches Wechselspiel entwickelte. Emil Rovner erhielt die gesangliche, geradezu süffige Linie gestaltete sie mit seiner Klavierpartnerin reich aus. Dabei blieben die Akzente immer klar – das energiereiche Spiel führte nicht ins unübersichtliche Übermaß, das zwar mitreißen kann, aber die Strukturen verwischt. Im Allegro vivace des Schlußsatzes steigerten sich Emil Rovner und Alla Ivanzhina in ein Beethoven’sches Neckspiel, belauerten einander – zum Vergnügen ihrer Zuhörer.
Die »Kreutzer-Sonate«, die erst kürzlich in der Bearbeitung Carl Czernys zu erleben war (NMB berichteten), hatte sich Emil Rovner selbst eingerichtet. Bei ihm klingt sie weniger dunkel, wirkt leichter, Alla Ivanzhina belebte den ersten Satz mit dynamischen Strukturen des Klavierparts. Das Cello wiederum sang bis in die Altlage, bevor im zweiten Satz der Dialog der beiden Instrumente, Echo und Wiederhall herausgestellt waren. Lustvoll kosteten die beiden ihre Stimmen aus, die schließlich in eine Romanze mündeten – nicht nur zum Vergnügen, zum Genießen, so daß die Musik erst einmal verhallen durfte, bevor der Applaus hervorbrach.
18.Oktober 2020, Wolfram Quellmalz