Großer Klavierabend mit Peter Rösel im Kulturpalast
Am Freitagabend war es schließlich nebensächlich, ob das Konzert im Dresdner Kulturpalast nun zum 75. Geburtstag des Pianisten gedacht gewesen war und jetzt nachgeholt wurde – entscheidend war der große Klavierabend mit Peter Rösel und einem allseitig bis auf die Orgelempore verteilten Publikum. Es war ein dankbares und diszipliniertes – kein vorschneller Applaus störte den Nachklang, dafür geriet der Jubel am Ende um so größer.
Vielleicht hatte sich, gerade was Disziplin und Artikulation betrifft, auch der Charakter der Wiedergabe übertragen. Auf Auffälligkeiten und überhöhte Schlußakkorde verzichtete Peter Rösel wohl leichten Herzens, dafür spannte er einen weiten Bogen durch die Wiener Klassik, deren Grenzen er berührte. Was sich binnen weniger Jahre von Joseph Haydn bis Franz Schubert vollzog, läßt sich ohnehin kaum in Genregrenzen festlegen.
Peter Rösel hatte sich für Sonaten entschieden, die nicht vordergründig epochal beeindrucken, sondern im Verlauf staunen lassen, strahlen und – lächeln. Ja, selbst Beethoven klingt nicht nur zornig und ungestüm, freilich war Haydns Lächeln wohl das gelösteste. Dessen Sonate F-Dur (Hob XVI:23) ließ Peter Rösel mit munterer Geläufigkeit sprudeln, doch ein Baßschlag schien bereits mehr als nur Betonung – er verwies auf jene Dramen, die Schuberts späten Sonaten innewohnen. Haydn gilt uns als Erneuerer vor allem der Quartett- und Sinfonieform, indes hat er zudem zahlreiche Opern und Singspiele verfaßt. So wundert es nicht, in langsamen instrumentalen Sätzen wie dem Adagio eine große Gesanglichkeit zu finden. Ganz ähnlich verhält es sich mit Wolfgang Amadé Mozart und dessen KV332 – und doch ist dieses in seiner Dramatik bereits zugespitzter, geht über die elegante, niveauvolle Unterhaltung hinaus. Mozart setzte meisterliche Kontraste, Trios und Mittelteile, die in heiteren Sätzen kleine Gegenwelten spiegelten. Peter Rösel arbeitete solch dramatische Wendungen ohne Effektlast heraus – die Sonate blieb ein Lehrstück, hinsichtlich der Noblesse des Klangs ebenso wie im gezielten Einsatz der Mittel, etwa der dosierten Steigerung in Wiederholungen.
Vielleicht waren die Geläufigkeit und Eleganz das verblüffendste an diesem Abend. Auch Beethoven durfte da lächeln in seiner drittletzten Klaviersonate (Opus 109, E-Dur), zeigte aber noch, daß Verläufe nicht allein einem Ablauf entspringen, sondern sich musikalische Ideen konzis und strukturiert entfalten wollen – wer das gehört hat, möchte man hoffen, trennt nie mehr seinen Lieblingssatz aus der »Mondscheinsonate«!
Franz Schubert steht in der Wertschätzung oft hinter Beethoven zurück. Dabei hat er sich vom großen Meister keineswegs einschüchtern lassen und eine verblüffende Innovationskraft entwickelt. Seine Sonaten sind Meilensteine, wie die »Gasteiner« (D 850, D-Dur), die vor allem Verständnis und Maß verlangen. Man mag den Satz »der Pianist trat hinter die Musik zurück« für eine Floskel halten – im Kern meint er neben dem Respekt vor dem Werk die umsichtige Wiederschöpfung von solchen Meisterstücken. Peter Rösel lotete die eruptiven Aufbrüche jugendlich aus (schon deshalb möchte man mit dem Attribut der »Altersweisheit« gerne noch etwas warten), kehrte innige Nocturne-Stimmung hervor, verlieh Menuett- oder Ländler-Anklängen tänzerischen Schwung. Auch das vierte Stück klang leise aus – das durfte es aber noch nicht gewesen sein! So ließ Peter Rösel noch ein Moment musicaux folgen und eine der Studien für den Pedalflügel von Robert Schumann. Auch für ihn waren Wien, Mozart und Schubert wichtige Bezugspunkte.
9. April 2022, Wolfram Quellmalz
Nächstes Konzert des Veranstalters Vienna classic in Dresden: 21. Juli, Kulturpalast, Deutsche Streicherphilharmonie / Wolfgang Hentrich (Leitung), Werke von Janáček, Schumann und Dvořák, http://www.vienna-classic.com