Dezidierte Programmzuwendung

Das Insula orchestra war im Festkonzert in Paris, im Mai kommt es zu den Dresdner Musikfestspielen.

Das Insula orchestra trägt die »Insel« nicht nur im Namen, sie spiegelt zudem die Lage des Ensembles wider: mitten in der Île-de-France gelegen, steht die Residenz, La Seine Musicale, auf einer Insel in der Seine in Paris. Seit der auffällige Bau 1997 eröffnet wurde, ist Laurence Equilbey mit ihrem Orchester hier zu Hause. Acht eigene Programme spielen sie dieser Saison, dazu kommen solche, für die Partner als Gastensemble eingeladen werden, wie Anfang April die Cappella Mediterranea mit ihrem Leiter Leonardo García Alarcón und einem Monteverdi-Programm. La Seine Musicale ist modular aufgebaut und bietet über das klassische Angebot hinaus weitere Veranstaltungen, vom Jazz-Konzert über Boxen bis zu Holiday on Ice.

Veranstaltungs- und Konzertort mitten in der Seine: La Seine Musicale, Photo: NMB

Laurence Equilbey hat das Insula orchestra bereits 2012 gegründet. Damals suchte sie ein eigenes Ensemble, um noch gezielter historische Musik aufführen zu können, also zum Beispiel mit Instrumenten aus der Zeit, in der die Werke geschrieben wurden. Eine wesentliche Aufgabe besteht darin, den Kammerchor Accentus zu unterstützen. Accentus, ebenfalls von der Dirigentin ins Leben gerufen, feierte nun am Wochenende seinen 30. Geburtstag. Das Programm im Auditorium von La Seine Musicale war ein rein deutsches: Werke Felix Mendelssohns wandten sich der Geburt und der Passion Christi zu und wurden um ein Fragment Wolfgang Rihms ergänzt. Nach der Pause gab es mit »Die ersten Walpurgisnacht« noch einmal Mendelssohn.

Solch dezidierte Hinwendung dürfen die Besucher der Dresdner Musikfestspiele erfahren, wenn Laurence Equilbey und das Insula orchestra im Mai im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele in der Frauenkirche auftreten. Gemeinsam mit dem Klarinettisten Pierre Génisson stehen dann die Ouvertüre zur Oper »La clemenza di Tito« (KV 621), die Sinfonie Nr. 39 Es-Dur (KV 543) und natürlich das Konzert für Klarinette und Orchester A-Dur (KV 622) auf dem Programm. Einen Monat später spielt das Insula orchestra diese und andere Werke im Rahmen des Festival Mozart Maximum, in dessen Rahmen dann übrigens auch Dresdens Festivalleiter Jan Vogler mit dem Dresdner Festspielorchester und Ivor Bolton zu Gast sein wird – Inseln sind nicht nur Begegnungsorte, sie fördern zudem den Brückenbau.

Das Dresdner Konzert des Insula orchestra gehört zur Reihe Originalklang. Der versierte Umgang und die Auseinandersetzung mit dem historischen Instrumentarium gehören zu den vorwiegenden Eigenschaften des Ensembles, wie sich im Festkonzert am Freitag bestätigte. Doch zunächst beeindruckten Accentus und die Solisten (Hélène Carpentier / Sopran, Hilary Summers / Alt, Stanislas de Barbeyrac / Tenor und Florian Sempey / Bariton, außerdem Bassist Arnaud Richard aus dem Chor als Baß in Mendelssohns »Christus«) mit einer mustergültigen Verständlichkeit. Wer glaubte, die Aussprache fiele den Französen schwer oder sie nähmen es zu Hause vielleicht leicht (schließlich gab es Übertitel für den Text), sah sich getäuscht. Und noch in einem anderen Punkt überraschte das Konzert positiv, mit dem Licht. Im allgemeinen sieht der Rezensent das »Lichtdesign« meist kritisch, wird für gewöhnlich doch eine allzu banale Symbolik bedient und vor allem versucht, die Stimmung mit kräftigen Farben »auszumalen«. Hier nicht. Das Konzept von Cécile Trelluyer fokussierte zunächst auf die Akteure, unterstrich den Inhalt. Zum weihnachtlichen Text strahlte der Saal eben nicht signalhaft in rot.

Konzert des Insula orchestra mit Laurence Equilbey. Vor der Bühne: Bariton Florian Sempey, Photo: © Insula orchestra

Noch besser, weil wichtiger, war eine andere unterstreichende, tragende Funktion – die des Orchesters. Nun handelt es sich bei Mendelssohn nicht um Alte Musik, das »historisch informiert« ist ein anderes als bei Schütz oder Bach. Am auffälligsten waren zunächst schon optisch die Naturhörner, die jedoch auch beim Hören hervortraten. Nachdem in der ersten Konzerthälfte (teils a cappella) vor allem ein dosiertes Vibrato und Tremolo gefragt waren sowie ein tragfähiger Baß, durfte das Insula orchestra bei Mendelssohns »Die ersten Walpurgisnacht« noch theatraler gestalten – mit einer Farbintensität, die kein Licht zu spenden vermag. Unter den Solisten fiel noch einmal der großartige Bariton und Gestalter Florian Sempey auf. Zusammen schienen sie einen Hexentanz mit Feuer und Rauch zu entfachen!

20. März 2023, Wolfram Quellmalz

24. Mai, Dresdner Musikfestspiele: Pierre Génisson (Klarinette), Insula orchestra, Laurence Equilbey (Dirigentin), Werke von Wolfgang Amadé Mozart

http://www.musikfestspiele.com

http://www.insulaorchestra.fr

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