Bedřich Smetanas »Die verkaufte Braut« an der Staatsoperette Dresden
Verraten und verkauft – so hätte man das Stück nach jenem Vorgang, dem Vertrag, mit welchem Maries Eltern (zur Voraufführung: Gerd Wiemer und Elke Kottmair) ihren Ruin verhindern und das Glück ihrer Tochter »machen« wollen (wenn sie denn wirklich daran gedacht haben), indem sie sie dem Sohn des Bauern Micha (Herbert G. Adami) versprechen, auch zusammenfassen können. Aber keine Tragödie oder Tragikomödie wird uns hier vorgespielt, sondern eine heitere Oper von Bedřich Smetana nach einem Libretto von Karel Sabina. Und so gibt es statt einer erzwungenen Heirat und Unglück eine Verwechslungsgeschichte, denn jener vertraglich zugesicherte Sohn hat noch einen verschollen und verstorben geglaubten Halbbruder, der zur rechten Zeit wieder auftaucht.
In böhmisch-ländlicher Umgebung begegnen uns innerhalb weniger Handlungsstunden (alles spielt sich zum Zeitpunkt des Kirchweihfestes ab) Marie (Nadine Sträter) und Hans (Steffen Schantz), ihr Liebster und (wie sich später herausstellt) Halbbruder Wenzels (Andreas Sauerzapf), die Eltern der Brautleute, Kezal (Frank Blees), der Heiratsvermittler ist, und jede Menge Tänzer, sogar einen Zirkus, viel Trubel also, Handlungen, aufgepeitscht mit mitreißender Musik.
Genau dieser opulent gebundene Strauß ist es, mit dem das gesamte Ensemble unter der musikalischen Leitung von Andreas Schüller begeistert. Klassisches Schauspiel in bester, auch handwerklicher Manier, wird hier geboten, jeder ist hier alles: Sänger, Schauspieler, Tänzer, manche sogar Gaukler oder Zirkusclown. Die bunt-böhmische Ausstattung von Hendrik Scheel bietet reichhaltige Details, ohne daß sich ein Effektüberdruß einstellt. Da werden Bauernstuben und Zirkuszelte aufgebaut, beleben aber auch Details wie tanzende Garbenpuppen und ein Wenzel mit Schmetterlingsflügeln. Gerade diese Figur des zurückgebliebenen Stotterers wird damit der bloßen Lächerlichkeit entrissen und erfährt eine Dimension unschuldiger Verträumtheit und Sehnsucht. Wenzel nicht als Einfältiger, sondern als Naturkind, das einfach nicht zu den Konventionen der Gesellschaft paßt? Dieser Deutungsansatz gibt der Idee, dem Sujet, durchaus einen Hintergrund und hebt das Stück über eine reine Belustigungs- und Unterhaltungsaufführung.
Von »bloß« und »Unterhaltung« kann hier ohnehin nicht die Rede sein. Denn dem Trio aus Arne Böge (Inszenierung), Hendrik Scheel und Thomas Runge (Choreographie) ist ein Abend gelungen, der mit Witz und Geist anregt, nicht locker läßt und sein Publikum bannt. Es stellt sich ein Fluß ein, der weder abreißt noch sein Publikum verliert. Wesentlich tragen dazu bei die Sänger, die – inclusive des Chores – jederzeit verständlich sind, und zwar in Wort und Geste. Man hätte auf den frühzeitigen Hinweis, daß ein Halbbruder Wenzels existiert(e), auch verzichten können. In einem älteren Textbuch des Wiener Globus-Verlages zum Beispiel erfolgt diese Auflösung erst zum Schluß. Die Dresdner Inszenierung bliebe auch so Verständlich.
Am Ende gehen (fast) alle als Gewinner aus dem Stück hervor, denn Marie bekommt ihren Hans, Wenzel vielleicht seine Esmeralda (Isabell Schmitt), und letztendlich wird sogar jener Vertrag zwischen den Eltern eingehalten. Und der Zuschauer hat sowieso gewonnen.
»Die verkaufte Braut«, Staatsoperette Dresden, weiter Aufführungen am 15. und 16. Mai, 5. und 6. Juni sowie in der kommenden Spielzeit.
Wolfram Quellmalz