Saisonbeginn der Sächsischen Staatskapelle Dresden – Bruckner vom feinsten

Wer mochte sich da noch übers. Wetter beklagen? Die Saison geht wieder los! Und sie startet mit Thielemann und Bruckner – mehr braucht es (beinahe) nicht. Für zusätzliche Spannung sorgten Capell-Compositrice Sofia Gubaidulina und Capell-Virtuos Gidon Kremer, der Gubaidulinas zweites Violinkonzert » In tempus praesens« mit der Sächsischen Staatskapelle aufführte. Für beide war es der Auftakt zu einer Reihe von Aufführungen in dieser Saison.

Das Violinkonzert Sofia Gubaidulinas, 2007 durch Anne-Sophie Mutter uraufgeführt, ist ein suchendes, von Kontrasten geprägtes Stück. Dies herauszustreichen, hat die Komponistin das Orchester zwar mit allen möglichen Instrumenten bereichert (incl. Klavier, Cembalo und Celesta), dem grundlegenden Streicherapparat aber die Violinen genommen. Das verstärkt den Gegensatz bzw. hebt die Stellung der Solovioline hervor, ein grundsätzlich düsteres Werk ist es ohne die hohen Streicherstimmen dennoch nicht geworden, auch wenn es durchaus solche Passagen enthält. Formal einsätzig, besteht es aus einer Vielzahl von Epoxiden, in denen die Violine meist führt, immer allein steht, das eine oder andere Mal aber auch durch den gesamten Orchesterapparat in Bedrängnis zu kommen scheint. Assoziationen zu zum Gegensatz von Individuum und Masse drängen sich da auf, zu Schostakowitsch, und sind so falsch wohl nicht. Immerhin wurde Sofia Gubaidulina lange Zeit durch das Sowjetregime gebremst, bevor sie – auch mit Unterstützung Gido Kremers – weltweit wahrgenommen werden konnte. Heute zählt sie zu den bedeutendsten Komponisten unserer Zeit.

Das zweite Violinkonzert spiegelt jedoch nicht nur Spannungen wider, sondern steckt auch voller Lösungsansätze und Motiven des Aufbruches. Nicht Dissonanzen sind bestimmend, sondern Auflösungen, und vor allem die Solovioline hat melodische, intime, fast schwelgerische Momente. Gidon Kremer hauchte ihr vibrierend Leben ein. Fast pausenlos zirpt, singt und deklamiert die Violine, erregend und anrührend gleichermaßen. Christian Thielemann und Gidon Kremer nahmen das Werk ernst und sorgten mit einem Höchstmaß an Aufmerksamkeit um Noten und (nicht zuletzt) Metrum für eine feingliedrige Klangentfaltung. Einzig die elektronische Verstärkung des Cembalos war da irritierend.

Nicht herausragende Höhepunkte, sondern eine durch das rechte Maß durchgehend spannende Aufführung sorgten dafür, die Spannung während des fast vierzig Minuten langen Stückes auch auf das Publikum zu übertragen. Die Aufnahme war entsprechend mehr als erfreut, sehr positiv sogar, sowohl die Komponistin als auch den Solisten betreffend.

Wer mag, kann am 19. Oktober in der Kreuzkirche das erste Violinkonzert Sofia Gubaidulinas mit der Dresdner Philharmonie und Vadim Gluzman (Leitung: Reinbert de Leeuw) erleben. Im Juni 2015 erklingt es ebenfalls, dann wie jetz in der Kombination Kremer / Staatskapelle.

Und dann Bruckner. Die unvollendet vollendete, die neunte. Diese Kombination – Bruckner, Staatskapelle, Thielemann – ist einfach wie pures Gold. Es war großartig, wie sich hier Stimmungen entwickelten, schwankten, einander aufhoben und daraus immer neue Klanggebilde wuchsen. Bruckner-Sinfonien haben etwas von Alpenlandschaften: Bergmassive, finstre Täler, lichte Plateaus, springende Bäche… Auch in der neunten fand man dies, strahlten die Bläser, sorgten aber auch getupfte Bässe für klanggewordenen Purpursamt. Nuancen und Details zu entdecken, in solch oft gehörten Werken, bereitet eine ungeheure Freude, vor allem dann, wenn man sie immer wieder neu entdecken kann und sich hinterher sagt, daß man diese Sinfonie noch nie so schön gehört hat. Da darf man gespannt sein auf Christian Thielemanns nächsten Bruckner-Wurf (wird es einst einen Bruckner-Zyklus geben?), aber auch auf das Gustav Mahler Jugendorchester, welches an gleicher Stelle mit der siebenten Sinfonie die Lesart des Nachwuchses präsentierte.

3. September, Wolfram Quellmalz

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