Das Programm war mit Dvořák und Haydn ganz der Tradition des Orchesters gewidmet, den Solisten und den Dirigenten betreffend standen solche Musiker im Mittelpunkt, die noch lange Jahre den Klang der Staatskapelle mitgestalten könnten. Omer Meir Wellber hat seit seinem Debut vor vier Jahren schon einige Aufführungen geleitet und in seinem Fall scheint sich – was sich an diesem Aufführungsabend wieder einmal zeigte – ein glückliches und langsames Zusammenwachsen mit dem Orchester abzuzeichnen.
Schon in Antonin Dvořáks Serenade für Streicher in E-Dur setzte Meir Wellber viele Akzente, ohne den leichtfüßigen Charakter anzutasten oder mit Betonungen zu übertreiben. Über dunkel grundierenden Bässen entfaltete das Orchester seine Klangpracht – da hörten sich die gezupften Streicher im Trio des zweiten Satzes nach Harfe an – hatte Meir Wellber die sagenhafte Wunderharfe beschworen? Doch nicht süßlich kam diese Serenade daher, sondern dynamisch und schwungvoll, frei von Hast. Nur den Hustern gönnte der Dirigent ihre Pause nicht.
Im Mittelpunkt des ersten Konzertteils stand aber sicherlich Norbert Anger, seit einem Jahr Konzertmeister der Violoncelli in der Staatskapelle. In Joseph Haydns zweitem Cellokonzert brillierte er mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit, gerade so, als müsse man dieses Stück kaum üben, sondern könne es »nebenbei« spielen – weit gefehlt! Von seinen Kollegen wunderbar eingebettet, sang sein Cello im Sopran, im Tenor und im Bariton, und als Norbert Anger am Ende des ersten Satzes seine Kadenz begann, da konnte man auch die um ihn herum sitzenden Musiker strahlen sehen – dem Publikum ging es nicht anders. Dem Adagio schenkten Solist und Staatskapelle bedächtiges, beschwingtes, bevor sie zur Heiterkeit des Rondeaus zurückkehrten. Heiterkeit – ja, aber keine der billigen Sorte, geistvoll ist dieses Rondeau, voller Esprit spielten Norbert Anger und die Staatskapelle. Zur Belohnung für alle gab es schließlich noch die Sarabande aus Johann Sebastian Bachs dritter Suite für Cello Solo (was paßte besser zu Serenaden als eine Suite?). Auch Omer Meir Wellber war für diese Zugabe auf die Bühne zurückgekommen und hatte sich einen freien Platz gesucht, auf dem er sich in Bach versenken ließ wie jeder im Saal. Norbert Anger hat einen ganz eigenen, aber nicht aufgesetzten Ton. Romantisch geprägt und vollkommen unakademisch, uneitel, nicht ein »so-muß-Bach-klingen«, sondern Seele – mit solchen Konzertmeistern hat die Staatskapelle schöne Aussichten!
Doch für diesen Abend blieben die schönen Rücksichten bestimmend, denn zum Abschluß und Höhepunkt folgte Joseph Haydns Sinfonie mit dem Paukenwirbel. Haydn, der Erfinder der heiteren, unbeschwerten sinfonischen Musik, der voller geistreichem Witz und Einfällen steckte. Man kann sich ausmalen, wie er sein Londoner Publikum ergötzt haben muß. Daß er ihnen keine bloßen Effekte auftafelte, dafür bürgt die seit dem ununterbrochene Wertschätzung seiner Musik. Und auch Omer Meir Wellber konnte mit dieser bekannten Sinfonie ganz unaufdringlich überraschen, zum Beispiel mit dem Pauken-Intro, welches in den Begrüßungsapplaus hinein startete. Im ersten Satz gab er dem Adagio Schwung, dem Allegro dagegen fast (im Sinne der damals üblichen Musikpraxis) militärisches Strahlen (also nicht martialisch). Auch das Andante più tosto Allegretto war voller Schwung und erlahmt nie, eine Energie, die das Menuett übernahm, in dem Meir Wellber und die Solisten besonders witzige Einwürfe (vor allem Fagott) herauskehrten. Mit einem glänzenden Finale schloß dieser Rückblick ab.
Daß die Staatskapelle jedoch nicht an »verzopften Traditionen« hängt, davon zeugt neben der Aufführungsqualität dieses Abends auch die Hinwendung zur modernen und zeitgenössischen Musik. Die kommenden Schostakowitsch Tage Gohrisch und die Besuche Gidon Kremers werden hierfür sicher Pate stehen.
18. September 2014, Wolfram Quellmalz