Szenen einer Liebe

Zweites Saisonkonzert der Reihe »Das Lied in Dresden«

Caroline Ullrich und Christoph Pohl sind Mitglieder des Semperopernensembles, darüber hinaus haben beide bereits den Christel-Goltz-Preis gewonnen. Am Sonntag waren sie im Konzertsaal der Musikhochschule für einen Liederabend zu Gast. Am Klavier begleitete sie Marcelo Amaral, der seinen Besuch anschließend fortsetzte und für einen zweitägigen Meisterkurs am Haus nutzt.

Hugo Wolfs »Italienisches Liederbuch« entstand zu volkstümlichen italienischen Gedichten in der Übertragung von Paul Heyse. In den 24 Liedern gestalteten die drei Musiker eine junge Liebe, doch durchlief diese bereits alle Szenen, die man eigentlich einer reifen Ehe zusprechen würde. Von Neckerei bis Zorn, Schmeichelei bis Hohn und von Verlockung bis Verachtung war alles enthalten und gewann in Nr. 15 »Wer rief dich denn?« sogar Duell-Charakter. Dort heißt es im Text zwar »Geh dahin, wo du die Gedanken hast«, doch klang es in der Betonung von Caroline Ullrich eher nach »…Gedanken haßt!«

Die Sopranistin und der Bariton Christoph Pohl nahmen die Szenen sehr wörtlich und ließen ihre (gemeinsame) Spielerfahrung von der Bühne einfließen. Das hatte seinen Reiz, wenn der eine Partner schmachtend, zornig oder verächtlich auf das reagierte, was der jeweils andere sang. Da wiegte sich Caroline Ullrich kokett, als Christoph Pohl ihre Schönheit pries, um ihn gleich darauf, als Brandstifterin sozusagen, gegen den Willen der Mutter zum tägliche Kommen einzuladen. Ein andermal ging sie soweit, mißtrauisch oder gar empört zu funkeln, wenn er, also eigentlich der Jüngling bzw. junge Mann, von »goldenen« Haaren sprach (Ullrich ist kein bißchen blond – er mußte eine andere meinen!). Das kam dem ursprünglich volkstümlichen Charakter der Texte wohl nahe, war für die Lieder aber hier und da sehr reichlich aufgetragen.

Auch gesanglich lebte das »Liederbuch« vom Temperament. Caroline Ullrichs Sopran klang sehr mädchenhaft, jung, klar, heiter, in der Höhe neigte sie aber zu metallischer Schärfe, wenn sie einfach forcierte. Hingegen gewann ihr Ton an Umfang und Glaubwürdigkeit, wenn sie Furor hineinlegte, etwa aus Zorn, wie in »Verschling‘ der Abgrund meines Liebsten Hütte«. Christoph Pohl hat eine angenehme Mittellage, aus deren Zentrum er sowohl ruhige gesetzte Klänge als auch heitere formte, gerade das spielerische liegt ihm sehr. Und gleich zu Beginn (Nr. 2) pries er schmachtend das Angesicht der Geliebten. Doch auch er gab sich nicht der bloßen Heiterkeit hin, sondern geriet das eine oder andere Mal in Rage, wenn ihn das Mädchen reizte. Marcelo Amaral war nicht nur ein anpassungsfähiger Begleiter, sondern stand auch im Gestaltungssinn nicht nach. Mit Glöckchenklingeln beim »Engel Gottes« nach der Pause und mit heftigen Anschlägen, Störungen, ausgerechnet, wenn es um einen »sanften Musikus« geht, setzte er eigene Akzente. Darüber hinaus war er für beide Sänger Anspielpartner: Während sich Caroline Ullrich augenrollend bei ihm Beistand erhoffte, vereinnahmte ihn Christoph Pohl gleich als Kamerad (»Geselle, woll’n wir uns in Kutten hüllen«).

Wie »endet« nun das Liederbuch, wie sollte es weitergehen? Eine Fortsetzungsidee gab es mit »In der Nacht« aus dem »spanischen Liederbuch« von Robert Schumann als Zugabe. Hier bewiesen Daß Caroline Ullrich, Christoph Pohl und Marco Amaral, daß sie bei aller Neckerei und Spielerei auch das versunkene, sehnsüchtige beherrschen.

27. April 2015, Wolfram Quellmalz

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