Wirklich großes Talent

Pianist Peter Naryshkin im Coselpalais

Als »eines der vielversprechendsten Talente« werden uns viele junge Pianistinnen und Pianisten vorgestellt, meist mit einer ganzen Sammlung von Preisen. Und – zugegeben – sehr große Talente gibt es in der Tat viele. Doch auswendig oder gar barfuß spielen genügt nicht. Was macht einen großen Pianisten also wirklich aus? Die Ausgewogenheit? Das Verständnis? Die Musikalität? Wohl all dies, vor allem aber die Fähigkeit, mit dem Spiel etwas auszusagen, uns zu berühren – abseits sportlich-technischer Brillanz.

Auf Peter Naryshkin treffen diese Voraussetzungen zu. Natürlich beherrscht er die Technik, vermag virtuos zu überzeugen, aber er gebraucht diese Fähigkeiten nicht, um sie uns vorzuführen, sondern nur, um sie als »Handwerkszeug« seines Spieles einzusetzen. Davon konnte man sich bereits in den letzten Jahren, noch während seines Studiums bei Arkadi Zenzipér an der Dresdner Musikhochschule, überzeugen. Auch im Coselpalais ist Peter Naryshkin bereits in der Reihe der »Jungen Meister der Klassik« aufgetreten. Am Sonntag spielte er hier in einer Klaviermatinée der »Vienna classic«.

Drei Sonaten Domenico Scarlattis gestaltete Peter Naryshkin zu Beginn als kleine Charakterstudien, als Miniaturen mit ausgeprägten Temperamenten: mit arioser Grazie (K 466), perlend tänzerisch (K 9) und als heiteres Capriccio (K 551). Von hier ging es zur größeren Form: Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart hatten die Gattung der Klaviersonate in der Wiener Klassik weiterentwickelt und wesentlich geprägt. Ihre Werke sind weniger technische Stolpersteine, entlarven aber aufgesetzte Effekthascherei gnadenlos. Mozarts Sonate F-Dur (KV 332) ist von einem beständigen Wechsel zwischen Dur und Moll und einem Wandel der Stimmung geprägt. Peter Naryshkin formte diese Übergänge ohne Brüche oder Überspitzungen, spielte das Adagio in fließendem Gleichmaß. Auch zeigte er ein perfekt ausbalanciertes Spiel beider Hände – vorantreibend und erzählend rechts, schattierend und begleitend links.

Auf die klassische Sonatenform folgte nun Chopin, zunächst mit der Barcarolle op. 60, die Peter Naryshkin noch vor der Pause sanft wiegen ließ. Mit einer letzten Welle spülte es das Boot schließlich – glücklich – an Land. Dann noch einmal Chopin, die dritte Sonate des Polen. Noch ganz klassisch, »streng« beginnend, lenkt Chopin das Werk spätestens im zweiten Satz in seinen Kosmos belebter Leichtigkeit, immer weiter löste er sich von der »strengen« Form. Peter Naryshkin vermied jedes »Korsett«, ließ das Werk frei atmen und fügte die klassisch strengen Elemente mit den freien, »chopinesken« harmonisch zusammen. Der letzte Satz gar, der aus innerer Glut und Sturm zu entspringen scheint, grüßte schon in Richtung Rachmaninow, doch den gab es diesmal (noch) nicht. Dafür aber einen weiteren Wechsel des Charakters. Mit dem klangfarbigen Feuerwerk Claude Debussys »Feux d’artifice« aus dem zweiten Heft der »Préludes« als Zugabe verabschiedete sich Peter Naryshkin von seinem Publikum – nur bis zum kommenden Sonnabend. Dann gibt es einen weiteren Klavierabend mit einem der (wirklich) vielversprechendsten Klaviertalente und Werken von Haydn, Liszt (Bearbeitungen) sowie Rachmaninow im Coselpalais zu erleben.

7. Februar 2016, Wolfram Quellmalz

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