Mira Wang (Violine) und Ismo Eskelinen (Gitarre) zu Gast bei den »Meisterkonzerten«
Die musikalischen Welten von Violine und Gitarre sind für unsere Ohren heute eigentlich getrennte, schon allein deshalb, weil die Gitarre um so vieles leiser ist. Im Wortsinn klassische Ausnahmen wie Mauro Giulianis Konzerte bedürfen in der Regel einer elektronischen Verstärkung des Solisten, doch gibt es einige Duowerke für dieses Paar in der Musikliteratur, neben Giuliani zum Beispiel von Ferdinando Carulli, dazu zahlreiche Bearbeitungen (incl. Bachs Violinsonaten mit der Gitarre als Basso continuo), Luigi Boccherini hat gar eine ganze Reihe von Gitarrenquintetten hinterlassen. Und auch zeitgenössische Kompositionen haben Werke für diese Besetzung geschrieben, wie Pablo Daniel Garcia oder Esa Pekka Salonen, dessen »Goodbye« auch schon beim Moritzburg Festival erklungen ist (2006).
Der Gitarrist von damals, Salonens Landsmann Ismo Eskelinen, war auch am Mittwochabend in Dresdens schönstem Kammermusiksaal auf Schloß Albrechtsberg zu Gast. Dort gab es vor allem Werke desjenigen zu hören, der wie kein zweiter mit der Gattung der Duos für Violine und Gitarre verbunden ist: Nicolo Paganini. (Auch Paganini war einmal in Dresden gewesen, 1829.) Anders als Paganini, der (vermutlich) sogar Werke – zumindest manche – gleichzeitig auf beiden Instrumenten dargeboten hat, teilte sich Eskelinen diese Arbeit mit Mira Wang.
Die Form der Sonate hat sich in Zeiten und Regionen stark verändert und war unterschiedlichen Einflüssen und Moden unterworfen. Paganinis Sonaten sind vor allem von tänzerischen, virtuosen Elementen bereichert, fallen aber auch durch Kurzweil und Mehrteiligkeit der Sätze auf. Damit wahren sie auch noch eine Verwandtschaft zu Serenaden oder Suiten, aber auch zu niveauvoller Unterhaltungsmusik. Und so kamen die Werke – im besten Sinne – auch im Konzert am Mittwochabend beim Publikum an. Paganini hat eben nicht nur virtuoses Vorführwerk geschrieben, sondern in sich geschlossene Sätze vollendet – kein Wunder, wenn es (völlig zu recht) Zwischenapplaus gab. Der meistens etwas übermächtigen (heiteren) Betonung der Werkschlüsse hätte es gar nicht bedurft, um das Publikum zu erreichen.
Mira Wang hatte sich auf ihren Partner gut eingestellt und für einen harmonischen Ausgleich gesorgt, die Gitarre also nicht übertönt. Wie schön, denn deren Part folgte niemals einer bloßen Basso-continuo-Begleitung, sondern war immer von erstaunlich gesanglichem Gehalt. Vogelstimmen trugen zur Lebendigkeit bei, ohne aber die Form naturalistischer Imitationen wie in Vivaldis »Il gardellino« anzustreben.
Wang und Eskelinen verbanden sowohl klassisch-klare Melodieführung mit volkstümlich angeregten, tänzerischen Elementen, aber auch Rondeau bzw. dessen lebhafter kleiner Bruder Rondoncino waren eingeschlossen. Noch intimer, als Gesang unter dem Fenster, erschienen die kantablen Sätze wie die Romanze aus der »Grand Sonata« A-Dur.
Zwischen Paganinis Duos eingebettet hatten die beiden Künstler drei Solowerke jüngerer Zeit. Am modernsten – ja, nächsten oder entferntesten? – klang dabei Eugen Ysaÿes fünfte, Mathieu Crickboom gewidmete, Violinsonate. Mira Wang spielte die Melodiestimme glasklar, schattierte sie geheimnisvoll, strich und zupfte – paganinös!
Ismo Eskelinen wiederum trug mit Isaac Albéniz »Asturias« und Manuel da Fallas »Danza del Molinero« zwei Eigenbearbeitungen voll spielerischer Girlanden bei – Gitarre, Laute & Co. können eben mehr, als nur Volksmusik oder klassisch begleiten!
Vor allem bei Paganini gab es für die Zuhörer viel zu entdecken, und zwar nicht nur in virtuoser Machart, sondern auch mit berückender Schlichtheit oder bedächtig. Die Lebhaftigkeit ließen Mira Wang und Ismo Eskelinen bis zu Lustigkeit und Matadorentänzen reichen. Als Zugabe spielten die beiden Künstler noch das Adagio cantabile aus Paganinis Sonate in D-Dur.
18. Februar 2016, Wolfram Quellmalz