Aufführung in der Diakonissenkrankenhauskirche
Aufführungen der Werke Johann Sebastian Bachs gehören liturgisch wie musikalisch zur Passionszeit, Vertonungen von Komponisten wie Georg Philipp Telemann oder Heinrich Schütz sind ebenfalls immer wieder zu hören. Ensembles oder Kantoreien mit besonders reichem musikalischen Leben spielen auch »exotischere« Werke, so Reinhold Keisers Markuspassion am vergangenen Sonnabend in der Kirche des Diakonissenkrankenhauses.
Keiser (1674 bis 1739) wurde in Teuchern (im heutigen Burgenlandkreis) geboren und besuchte ab seinem elften Lebensjahr die Thomasschule. Schon früh hat er kompositorische Spuren hinterlassen, zunächst in Braunschweig, später in Hamburg. Neben zahlreichen Opern werden ihm einige wenige instrumentale und geistliche Werke zugeschrieben, auch wenn die Autorenschaft nicht in allen Fällen schlußendlich geklärt ist. Von seiner Markuspassion liegen vier Fassungen vor, zwei davon im Druck, die sich aus unterschiedlichen Aufführungen ergeben haben. Jan Katzschke, Kantor der Diakonissenkrankenhauskirche, hatte sich für jene Fassung entschieden, die Johann Sebastian Bach 1713 in Weimarer zur Aufführung brachte. Bachs Bearbeitung blieb auf wenige Eingriffe beschränkt, nebenbei zeigt seine Wahl auch, daß er das Werk geschätzt haben muß.
Der Kantoreichor war um vier Solisten (Birte Kulawik – Sopran, Stefan Kunath – Alt, Michael Schaffrath – Tenor und Friedemann Klos – Baß) erweitert worden, daneben wirkte ein kleines Streicherensemble auf alten Instrumenten sowie Cembalo und Orgel. Außerdem hatte Jan Katzschke neben Leitung und Cembalo auch die Soli Petrus‘ und Pilatus‘ übernommen.
Das Werk besticht vor allem durch Arien und Instrumentalteile, welche vom italienischen Stil beeinflußt sind und wird vom stetig fortlaufenden Erzählstrom des Evangelisten getragen – Michael Schaffrath füllte diese Rolle ausdrucksstark aus. Auch der Chor schlüpfte in verschiedene Rollen, jene des Volkes etwa, das »kreuziget ihn!« ruft, oder der Gemeinde in den Chorälen. Mit teilweise versetzten Stimmen im Kanon weicht Keiser hier von der schlichten Form mitunter ab, dafür wird »Wenn ich einmal soll scheiden« (nach Christi Tod) auf die Alt-Stimme reduziert.
Kantorei und Ensemble gelang eine stimmige Interpretation in den sanft leuchtenden Farben der alten Instrumente. Die kräftigen Männerstimmen des Chores konnten eine leichte Unterzahl angenehm ausgleichen, so daß sich die Gewichtung nicht verschob. Unter den bestens präparierten Solisten ist besonders Michael Schaffrath hervorzuheben, der in den fast eineinhalb Stunden nur wenige Pausen hatte, aber auch die anderen drei Solisten übernahmen jeweils verschiedene Rollen. Eine schöne Wiederentdeckung, die von der Ausgewogenheit der beteiligten profitierte.
20. März 2016, Wolfram Quellmalz