In der Lesart Georg Gebels

Die andere Johannes-Passion

Der Musiker, Musikmeister und Komponist Georg Gebel (1709 bis 1753) war einst nicht nur verehrt, sondern beliebt. Dresden und Rudolstadt sind seine wichtigsten Wirkungsstätten gewesen, doch hat sein rastloses Leben leider ein allzu frühes Ende genommen, viele seiner Werke sind – auch durch eigenes Verschulden – nicht nachhaltig dokumentiert, für uns verloren. Unter den erhaltenen stechen vor allem Kantatenzyklen heraus sowie die Johannes-Passion. Manfred Fechner hat letztere – die lange Zeit im Thüringischen Staatsarchiv Rudolstadt schlummerte – »ausgegraben« und sich maßgeblich für die Herausgabe im Hofmeister-Verlag, eine Einspielung (erschienen bei cpo) sowie zahlreiche Aufführungen eingesetzt, die jüngste am Mittwoch in der Dreikönigskirche. Neben der Singakademie Dresden (Leitung: Ekkehard Klemm) waren die Batzdorfer Hofkapelle auf alten Instrumenten sowie die Solisten Teresa Suschke (Sopran), Annekatrin Laabs (Alt), Christopher Renz und Samir Bouadjadja (Tenor), außerdem Damien Gastl und Johannes Wollrab (Baß) beteiligt.

Gebels Passion vermag schon mit den ersten Stücken zu begeistern, greift die Klangsprache der Zeit auf, überzeugt aber vor allem durch großen Einfallsreichtum hinsichtlich Melodie, Begleitung und betörender Klangfarben. In Struktur und Herangehensweise den Passionen anderer Komponisten, also auch Johann Sebastian Bachs, vergleichbar, ist Georg Gebels Johannes-Passion dicht mit Affekten versehen, ohne daß sich ein Augenblick der Überladung einstellen würde. Man muß Solisten, Chor und Orchester – und nicht zuletzt dem Leiter – zu einer hervorragenden Aufführung gratulieren, die durch Ausgewogenheit bestach und nicht auf den Erfolg einzelner »Nummern« setzte. Bedenkt man, daß die Singakademie ein Laienchor ist und die Probenzeit begrenzt gewesen sein dürfte, kann man vor dieser Leistung nur den Hut ziehen.

Gebel überzeugt ebenso in der Melodieführung (bis zu den Rezitativen) wie der Instrumentierung und Begleitung. Christopher Renz, der gerade erst am Sonntag in Schubert Messe Es-Dur als Solist aufgetreten war, füllte – meist nur mit Begleitung durch Orgel und Baß – die Partie des Evangelisten versiert und sicher aus und konnte sowohl in klangschönen Passagen wie durch dramaturgische Schärfung überzeugen. Besonders reich hat Georg Gebel die Arien gestaltet, die sich noch in der Begleitung stark unterscheiden. Naturhörner, Flöten oder Oboen treten vor allem in den Vor- und Zwischenspielen prominent hervor. Und schon im Eingangschor gibt es instrumentale Betonungen wie ein durchschimmerndes Fagott. Unter den Solisten bestachen vor allem Annekatrin Laabs mit ihrer warm timbrierten Stimme und Samir Bouadjadja mit seinem geschmeidigen, kraftvollen Tenor. Zu den musikalischen Höhepunkten zählte das Terzett der Arie »Ach, sehet und erschrecket!« (Suschke, Laabs, Renz). Aber auch der Chor war nicht nur Begleiter oder Choralsänger, sondern akzentuierte – bei stets großer Verständlichkeit – gekonnt in der Rolle der Schar.

Nicht mit einem Schlußchor und der Grablegung endet Georg Gebels Johannes-Passion, sondern als »Arie« im Wechsel des Chores mit Sopran und Alt wird bereits die Auferstehung verkündet.

 

CD-Tip: Georg Gebel – Johannes-Passion, Dorothee Mields, Henning Voss, Jan Kobow, Klaus Mertens, Sebastian Bluth, Ensemble inCanto weimar, Weimarer Barockensemble, Ludger Remy (cpo)

24. März 2016, Wolfram Quellmalz

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