Fast sportliche Virtuosität

Kammerabend des Tonkünstlervereins überrascht mit Farben und Leichtigkeit

Wenn man genauer hinhörte und -sah, waren die Kniffe, Schwierigkeiten, Ansprüche ganz klar – um so verblüffender, wie leicht die Stücke zum Kammerabend am Mittwoch in der Semperoper daherzukommen schienen. Gleichzeitig war es ein Konzert für »aufgeschlossene Ohren«, denn neben Claude Debussy und Camille Saint-Saëns kamen vergleichsweise moderne Stücke von Henri Dutilleux, Alain Bernaud und Jean Franҫaix zur Aufführung. Während letzterer schon manchen Kammerabend »auflockerte«, sind Berührungspunkte mit Henri Dutilleux schon seltener.

Dabei lohnt die Beschäftigung mit dem 2013 verstorbenen Franzosen. Immer wieder beeindruckt er mit klaren Strukturen und großer Farbigkeit, ohne an Modernität zu verlieren. Diese Vielfalt, von der seine Konzerte oft blühen, geht auch in »Trois Strophes sur le Nom de Sacher« für Violoncello solo nicht verloren. Das Stück verarbeitet den in Noten gesetzten Namen des Musikmäzen Paul Sacher (eS-A-C-H-E-Re) höchst virtuos mit Glissandi, Tonsprüngen, einem ständigen Wechsel von gestrichenen und gezupften Tönen. Norbert Anger, Konzertmeister der Celli bei der Staatskapelle, griff nicht nur mit der linken Hand die Saiten für den Bogen ab, sondern spielte beidhändig ein Duo zweier Stimmen. Ein Schaustück mit spektakulären Einlagen und einer sinnlichen Baßarie Andante sostenuto im zweiten Satz – die Sanglichkeit des Cellos vernachlässigte Anger nicht im mindesten!

Derlei Effekte nutze Dutilleux auch in seiner Sonate für Oboe (Céline Moinet, Solistin der Staatskapelle) und Klavier (Florian Uhlig / Gast). Virtuosität hat neben dem »sportlichen« Wert vor allem einen inneren Impuls – nicht ein Höchstmaß ist entscheidend, sondern Spontanität, Leichtigkeit. Céline Moinet erfüllte sie mit einer stetigen Noblesse des Tones. So glich schon die Aria: Grave mit dem tiefem Baß des Klaviers und der Singstimme der Oboe einer Orgelchoralbearbeitung.

Mit französischem Klang aufs engste vertraut, wußte Florian Uhlig gedämpfte, sanfte und leiseste Schattierungen zu zeichnen, auch in der folgenden Sonate für Fagott und Klavier von Camille Saint-Saëns. Mit vielen Obertönen hat der Komponist die Tessitura des Instruments scheinbar in den Bereich eines Baritons verlegt, Philipp Zeller fand darin viel Farbe und Gesang, die zur Abendstimmung paßten. Daß es auch ganz anders geht, zeigte »Hallucinations« von Alain Bernaud für die gleiche Besetzung, nun aber mit Erik Reike (Fagott) und Tatjana Zenzipér (Klavier / Gast). Das Stück zielt vor allem auf den Eindruck, den die Klänge beim Hörer erwecken und macht den Spieler zum Stimmimitator, eine Rolle, die Erik Reike so vergnüglich wie erstaunlich ausfüllte.

Claude Debussys Sonate für Violoncello und Klavier (noch einmal Anger / Uhlig) und Jean Franҫaix‘ Trio für Oboe, Fagott (Zeller) und Klavier (Uhlig) rundeten den Abend ab. Debussys Spiel mit barocken Formen stellte seine typischen Farben nicht heraus, sondern ließ sie schimmernd hervorscheinen. Franҫaix dagegen überraschte mit einem vergleichsweise nüchternen Adagio, das jedoch schnell die gewohnte Lebhaftigkeit erlangte.

19. Oktober 2017, Wolfram Quellmalz

eben erschienen: »Schumann Romances« (Berlin Classics), Kammermusikwerke von Clara und Robert Schumann, mit Céline Moinet , Florian Uhlig und Norbert Anger, eine CD-Besprechung bei den Neuen (musikalischen) Blättern folgt in den nächsten Tagen

 

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