Sarah Christian und Lilit Grigoryan zum Preisträgerkonzert in der Frauenkirche
Eigentlich ist die heute übliche Bezeichnung »Violinsonate« irreführend, denn so deutlich steht die Violine nicht im Vordergrund. Das Klavier ist viel mehr als nur eine »Begleitung«, seine Rolle kaum kleiner als die der Violine – die Komponisten haben das sehr fein unterschieden. Daß im Konzertprogramm in der Unterkirche der Frauenkirche das Streichinstrument dennoch hervorgehoben war, hatte einen anderen Grund: es handelte sich um eines der Preisträgerkonzerte. Am Sonnabend stellte sich Sarah Christian, die im Vorjahr den ARD-Musikwettbewerb gewonnen hatte, dem Publikum vor. Bereits 2010 konnte sie in Meißen den 1. Preis beim Internationalen Szymon-Goldberg-Wettbewerb erringen.
An Sarah Christians Seite spielte Lilit Grigoryan, mit der sie 2017 auch ihre Debüt-CD »Gegenwelten« eingespielt hat. Im Konzert präsentierten beide nun Klassiker verschiedener Epochen: Mozart, Brahms, Takemitsu und Beethoven hießen die Stationen.
Bei Wolfgang Amadé Mozarts 1778 entstandenem G-Dur-Werk (KV 301) heißt es noch – wie damals üblich – »Sonate für Klavier und Violine«. Erst später sollte sich (mit Mozarts Zutun) das Streichinstrument emanzipieren. Zupackend und feurig kann man getrost die Vortragsart der beiden Virtuosinnen bezeichnen, die mit kristallinem Violinton und beinahe perkussivem Klavier daran erinnerten, daß Mozarts Klangwelt (damals war das Cembalo noch geläufig, die Flügel unterschieden sich erheblich von den heutigen) eine ganz andere war. Sarah Christian und Lilit Grigoryan scheuten schon hier kein Risiko und spürten mit herbem Charme, weichem Legato und munter perlendem Ton Struktur und Melodie nach. Manchmal überraschte die Härte etwas, vor allem beim Anstrich in Abwärtsrichtung des Bogens, dafür gewann die Interpretation jedoch an Lebhaftigkeit und vermied den nur »gefühligen« Wohlklang.
Diesen hätte Johannes Brahms‘ erste Violinsonate bestimmt nicht vertragen – mußte sie auch nicht. Mit lyrischem Gesang und sanft pulsierendem Rhythmus gestalteten die beiden Musikerinnen ihre Rollen zauberisch aus. So geriet die Melancholie des Adagios gedankenvoll, statt bodenlos zu sein. Auch hier gab es manche Rauhheit, einen harten Anschlag – eine Anspielung auf das Schicksal?
Tōru Takemitsu ist ebenfalls längst ein Klassiker. Im Reigen der anderen Gipfelwerke war seine »Distance de Fée« ein knappes, bekömmliches Extra – hier hätte man sich zu den anderen Werken, die allesamt einen Höhepunkt der Gattung darstellen, etwas mehr Wagemut und Kontrast gewünscht! Das feine Gespinst des kurzen Stückes war dennoch eindrucksvoll, bot nahezu figurative Violinelemente samt märchenhaften Flageoletts.
Ludwig van Beethovens »Kreuzersonate« war der Schlußpunkt einer ganzen Gipfelkette. Sarah Christian und Lilit Grigoryan warfen sich mit Verve und aller Heftigkeit hinein – Beethovens Struktur bot manche ausdrucksvolle »Kante«, die beide mitreißend und mit viel Nachdruck zu gestalten wußten. Dem Variationssatz bewahrten sie den Liebreiz, bevor sie sich mit enormer Expressivität (und auch Lautstärke) ins Presto warfen.
Mit ihrem Vortrag ernteten beide viel Begeisterung und erwiderten diese mit dem Scherzo, Brahms‘ Beitrag zur F.A.E.-Sonate.
22. Juli 2018, Wolfram Quellmalz
Tips:
»Gegenwelten« mit Sonaten von Sergei Prokofjew und Franz Schubert, Sarah Christian (Violine) und Lilit Grigoryan (Klavier), erschienen bei Genuin
Am Sonnabend, 4. August, spielt der nächste Preisträger des ARD-Musikwettbewerbes, Jeung Beum Sohn, in der Frauenkirche Werke von Mozart, Chopin, Prokofjew und Tschaikowsky.