Aristophanes »Lysistrata« in der Dresdner Theaterruine
DAS STÜCK
Ganz Griechenland ist im Krieg – nicht nur Athen und Sparta, auch Theben und andere Provinzen sind im Kampf. Die Männer sind nicht zu Hause oder kommen verwundet heim (oder nicht mehr) – ewig geht das schon so, die Frauen haben es satt. Da beschließt Lysistrata, die Akropolis zu besetzen. Sie und die anderen Frauen ziehen sich zurück und entziehen sich ihren Männern, verbarrikadieren sich – und warten ab. Am Ende können die Männer – schon der »ehelichen Pflichten« wegen – nicht länger verzichten und fügen sich in den Frieden.
Bis dahin gibt es allerdings einiges zu tun, denn die Frauen, zeigt sich, sind ebenso eigensinnig, streitsüchtig und verfeindet. Vor dem Sieg muß Lysistrata also zunächst dafür sorgen, alle – trotz Widerspruchs – zu vereinen.
INSZENIERUNG UND AUFFÜHRUNG
Die Theaterruine von Jörg Berger hat mit Aristophanes eine der bekanntesten und beliebtesten griechischen Komödien auf die Bühne gebracht, die nicht nur für Theateraufführungen, sondern auch für eine Oper von Paul Lincke Vorlage war und in erotischen Graphiken Niederschlag fand.
Wie immer arbeitet die St. Pauli Ruine mit vorsichtigen Anpassungen, Modernisierungen und witziger Ausstattung. (Und wie meist ist das Publikum mittendrin oder sogar dabei – ausgewählte Besucher dürfen Proklamationen vorlesen.) Ein Kamerateam berichtet von den Ereignissen und holt den Konflikt ins Jetzt.
Yvonne Dominik als Lysistrata ist kämpferisch und bekommt den »Haufen Weiber« tatsächlich – nicht unter einen Hut, aber in die Akropolis. Zuvor flammt mancher Streit auf, zum Glück wird es da nur wenig »seifig« (wenn die politische Lage mit »Dynamo gegen Aue« gleichgesetzt wird).
Eindrucksvoll ist vor allem der Auftritt der Frauen in einem martialischen Kampftanz (»Haka«), wie man ihn von den neuseeländischen Aborigines kennt – Füße stampfen und Zunge herausstrecken, das ist beeindruckend und sorgt für berechtigten Zwischenapplaus. Und schüchtert die Männer ein. Denn ob Ratsherr (Rainer Leschborn) oder sein Gefolge, zu sagen haben sie nicht viel.
Daran fehlt es dann aber auch dem Stück, das eigentlich von der Schnelligkeit und dem Sprachwitz lebt. Die Männer maulen und pöbeln nur (über den, der nichts macht, »und sowas haben wir gewählt!«), die zankenden Frauen verlieren sich oft in Kleinteiligkeit. Nachbarin Kalinoke (Anne-Sophie Naumann) ist ziemlich simpel (wenn auch witzig) gestrickt, aber die Witze selbst sind auch simpel, bemühen Smartphones oder »Ich bin ein Star…«. Gewinnend sind die Ensembleszenen der Frauen und die Persönlichkeiten Lysistratas sowie (vor allem!) Lampithos (Kirsti Schüller) mit feurigem Temperament.
So bleiben Witz und Schwung eben manchmal auf der Strecke, selbst wenn es im einzelnen immer wieder »funkt«. Am Ende sind die Frauen (berechtigt) die Gewinnerinnen, denn sie sind kämpferischer, solidarischer – die Männer maulen nur noch. Im entscheidenden Moment, dem Friedenspakt am Kinderwagen, ist die Presse dann ausgerechnet nicht dabei…
Ende gut – alles gut? So sieht es aus, und dazu gibt es einen roten Luftballon in Herzform.
25. Juli 2018, Wolfram Quellmalz
»Lysistrata oder Der Weiberkrieg«, wieder am 8. und 9. August sowie im September und Oktober in der Theaterruine. Weitere Informationen unter: www.pauliruine.de