Musikalische Reise durch Europa
Das Universitätsorchester Dresden ist vielleicht nicht oft selbst auf Reisen, seine musikalischen Erkundungen führen es jedoch in beinahe alle Regionen der Welt. Wie sollte es auch anders sein? Schließlich kommen doch Studenten und Wissenschaftler von überallher nach Dresden – ein guter Grund, den Austausch wechselseitig zu gestalten. »In die Ferne« hieß es so am späten Sonntagnachmittag in der Lukaskirche.
Franz Schubert sah nach Italien, auf die in seiner Zeit beliebten italienischen Opern, denen er nicht nur eigenes »entgegen« setzte. Er griff das Italienische ebenso auf, komponierte zum Beispiel Ouvertüren im italienischen Stil. Jene in C-Dur (D 591) stand als Einleitung auf dem Programm und sorgte für frischen Wind. Orchesterleiter Filip Paluchowski kann nicht nur über einen großen Streicherapparat, sondern auch auf eine ebensolche Zahl von Bläsern vertrauen. Noch in Kammerphilharmonischer Besetzung verfügt er über fast 60 Musiker. Logisch, daß er Stücke auswählt, die alle Instrumentengruppen ausreichend berücksichtigen und sie auch einmal solistisch hervortreten können. Besonders schön war aber, daß die Ausgewogenheit zwischen Streichern und Bläsern, zwischen Tutti und Solisten trotzdem stets gewahrt blieb.
Wie beim zweiten Werk des Nachmittages, Dmitri Kabalewskis Konzert Nr. 1 für Violoncello und Orchester (g-Moll, Opus 49). Mit pochenden Pizzicati beginnt das Stück, bevor das Violoncello jenen Belcanto anzustimmen scheint, den Schubert bereits im Ohr hatte, als er seine italienische Ouvertüre schrieb. Solistin Nina Clarissa Frenzel schwirrte leichtfüßig durch das Konzert, das nicht nur (vor allem in der Kombination Cello / Flöten) an den Gesang der Vögel erinnerte, sondern bald vom schönen Belcanto in den dramatischeren Verismo überging. Technisch makellos konnte sich Nina Clarissa Frenzel emphatisch in das manchmal an Elgar erinnernde Werk steigern.
Was macht eigentlich eine Cellistin, wenn ihre Finger beim Üben einmal »nicht so wollen«? Disziplin und Ausdauer können da helfen, aber manchmal ergibt sich aus der Situation der Impuls, ein eigenes Stück zu schreiben und dieses als Zugabe zu präsentieren. »Von den beiden Seiten« für Cello und Gesangsstimme bezieht sich auf die Ebenen von Himmel und Erde und ließ als Duett von einer Solistin die Gedanken schweifen.
Mit Felix Mendelssohn ging es danach noch einmal auf eine Gedankenreise. Denn seine dritte Sinfonie, die »Schottische«, schrieb der Komponist lange Jahre nach seinem Besuch dort, der zunächst zu Skizzen für die Sinfonie sowie zur »Hebridenouvertüre« geführt hatte.
Bis an die rauhe Küste mit tosendem Meer, Gischt und peitschendem Sturm ging es mit dem Universitätsorchester. Frisch und mitreißend wurde das Stück musiziert, wobei man wieder manches verfolgen konnte, zum Beispiel, wie sich Flöten und Violinen ineinander spiegelten, wie aufgerauhte Cellostimmen oder stürmende Blechbläser für Stimmung sorgten. Wahrlich eine Entdeckungsreise!
4. Februar 2019, Wolfram Quellmalz