Der etwas andere Liederabend

Andreas Scheibner beim »Lied in Dresden«

Die Dresdner können sich glücklich schätzen, daß die Liederabende der Reihe »Das Lied in Dresden« nach einem Wechsel des Veranstalters mit leicht geändertem Titel weiterbestehen. Das neue Zuhause ist einer der früheren Auftrittsorte: die Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden. Am Sonntagabend gab es mit einem Alumnikonzert eine Fortsetzung.

Alumnus war Andreas Scheibner, welcher hier 1974 seinen Abschluß machte. Danach kam eine Zeit als Ensemblemitglied der Sächsischen Staatsoper und schließlich als freischaffender Künstler mit Gastspielen an den Opernhäusern der Welt, und er ist weiter tätig und rege. In den hiesigen Konzertplänen findet man ihn derzeit oft als Oratoriensänger, wer ihn nur so kennt, war da vielleicht überrascht, denn gestern offenbarte Andreas Scheibner sein komödiantisches Talent.

»Von Hexen, Elfen, Erlkönigen und and’rem Traumgelichter« hieß es, wofür der Bariton aus dem unerschöpflichen Fundus von Gespenster-, Geister und Elfenlieder […] manches zutage förderte. Zum Beispiel vier Fassungen des »Erlkönig«, neben den dramatisch überragenden Kompositionen von Franz Schubert und Carl Loewe macht sich jene Johann Friedrich Reichardts, welche Goethe doch so schätzte, geradezu bieder aus. Immerhin: auch hier konnte Andreas Scheibner dem Gleichmaß der unverändert wiederkehrenden Melodie durch Flüstern, Raunen und monotones Drohen noch manches hinzufügen.

Es war ein Abend mit großen Erzählungen, »Tom, der Reimer« (Loewe) zum Beispiel, aber auch mit Entdeckungen wie Erich Wolfgang Korngolds »Nachtwanderer« oder Ferruccio Busonis »Schlechter Trost«. Und noch einen Text gab es mehrfach: Johann Wolfgang von Goethes »Mephistos Lied« fand in der Vertonung Ludwig van Beethovens ebenso den Weg ins Programm wie in der burlesken Version Modest Mussorgskis. Für letztere fand Andreas Scheibner einen geradezu mephistophelischen Ton.

Zürnend, liebend, drohend – hier war von allem etwas dabei, die ganze Gefühlspalette. Dazwischen moderierte Andreas Scheibner, klärte auf über falsche »Erlkönige« und wie es mit Tom, dem Reimer, weiterging, öffnete das Kistchen der Anekdoten. Das mochte manchem, der einen »normalen« Liederabend erwartet hatte, vielleicht zuviel gewesen sein, denn trotz des so scheinenden Titels war der Kranz damit eher locker gebunden als thematisch geschlossen.

Begleitet wurde Andreas Scheibner von zwei in jeder theatralen Nuance mitgehenden Pianistinnen: Gayeon Lee (Klasse Prof. Christine Hesse sowie KS Prof. Olaf Bär) und Eunshil Oh (Prof. Ulrike Siedel und KS Prof. Olaf Bär). Sie durften schließlich, als Zugabe, noch einen fünften »Erlkönig« beisteuern. Hugo Ullrich hatte Schuberts Fassung einst für vier Hände bearbeitet. »Wie, kein Text?« meinen Sie? Doch! Zwar sang den Text nun niemand mehr, aber jeder kannte ihn. Andreas Scheibner stellte die Situationen des auf dem Pferd jagenden Vaters mit dem Kinde dennoch nach – als dramatischer Puppenspieler …

25. März 2019, Wolfram Quellmalz

nächstes Konzert der Reihe: »Du meine Seele, du mein Herz«,  Lieder von Clara und Robert Schumann sowie Johannes Brahms, 10. Mai 2019, 19:30 Uhr, Konzertsaal der Hochschule für Musik Dresden

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