Markuspassion von Gottfried August Homilius in der Versöhnungskirche
Natürlich ist die Passionsgeschichte von der Kreuzigung Jesu eigentlich »festgeschrieben«, aber die vier Evangelisten erzählen Sie dennoch teilweise recht unterschiedlich. Und auch musikalisch unterscheiden sich die Kompositionen, selbst wenn die grundsätzliche Aufteilung in den Erzählteil des Evangelisten, die Solisten, Chöre und Choräle zunächst ein gängiges »Grundgerüst« darstellen. So konnten sich Besucher am Sonntagnachmittag einen im Vergleich zu Bach und dessen Matthäuspassion höchst unterschiedlichen Eindruck verschaffen.
Dazu muß man zu allererst die Kantorei der Versöhnungskirche und ihre Kantorin Margret Leidenberger bewundern, das Werk aufs Programm genommen und aufgeführt zu haben. Spätestens seit dem Gedenkjahr 2014, als Peter Kopp den Kreuzkantor mit einem ganzen Programmzyklus wieder ins Bewußtsein rückte, feiern die Werke Gottfried August Homilius in Dresden eine Renaissance. Insofern war seine Fassung der »Markuspassion« also eine weitere Bereicherung.
Homilius‘ Werk (der Komponist hat auch die anderen drei Erzählungen vertont) unterscheidet sich, das wurde schnell klar, erheblich von den großen Passionen Bachs. In der Farbigkeit, der Expressivität (gerade der Chöre) hat er neue Akzente gesetzt, auch wenn er natürlich weiterhin auf manche Elemente vertraute, wie die Ergänzung einer Gesangsstimme durch bestimmte Bläser. Text und Erzählfluß weichen teilweise markant von dem ab, was man gewohnt ist.
Einfühlsamer Begleiter war einmal mehr die Sinfonietta Dresden, welche mit Streichern zunächst und dann mit Holzbläsern (und später mit großartigen Hörnern) den ersten Chor einleitete (also keine Sinfonia). Dabei »wirft« Homilius (bzw. Markus) den Hörer gleich ans Ende des Geschehens, denn die ersten Zeilen gelten bereits dem Erlösertod Jesu. Gute zwei Stunden später heißt es fast theatral: »Gott ist versöhnt.« In diesen zwei Stunden beeindruckt die Kantorei mit Klarheit (Verständlichkeit) und Wandelbarkeit, die von innigen Chorälen bis zu großen Turbae-Chören reichte.
Für besondere Momente sorgten die Solisten: Gretel Wittenburg (Sopran) mit der vielleicht expressivsten, wunderbar emotionalsten Gestaltung (etwas zu Lasten der Verständlichkeit) und Cornelia Kieschnik (auch als Judas) mit geschmeidigem Alt. Timothy Oliver hatte neben der Rolle des Evangelisten auch jene des Tenors übernommen, wobei er hierbei zwar etwas abfiel, den Part aber dennoch bemerkenswert bewältigte. Bassist Clemens Heidrich verlieh seinem Jesus einen teilweise samtenen Klang, setzte sich aber teilweise mit spürbarer Kraft gegen den zugegeben üppigen Orchesterklang durch. Die Baßarie »Ich geh von Leiden ganz umgeben« war wiederum mit ihrer hoffnungsfroh-hellen Färbung eindrücklich. Mit Kurt Lachmann (ebenfalls Baß) stand für Hohepriester oder Petrus noch ein Solist zur Verfügung, weitere Rollen wurden durch Chorsänger besetzt. Einen noch größeren Luxus konnte man bei solch großer Besetzung wohl kaum erwarten.
15. April 2019, Wolfram Quellmalz