Konzertabend mit zwei Orchestern

Dresdner Philharmonie und WDR Big Band im Kulturpalast

Der Dirigent Wayne Marshall war in Dresden schon mehrfach zu erleben, auch in seiner anderen »Funktion« – als Organist im Rahmen des Orgelzyklus‘. Als Brückenbauer und Wanderer zwischen den (Klang)welten ist er oft unterwegs und verbindet unterschiedliche Genres. Am Freitag und Sonnabend waren dies Big Band und Sinfonieorchester im Kulturpalast, wobei die Philharmonie als Hausorchester den einen Part übernahm, den anderen die WDR Big Band.

Doch scheinen die beiden Welten von Big Band und Klassik nicht nur weit entfernt, sie sind es letztlich auch, was hier gar nicht be- oder ausgrenzend gemeint ist (schließlich gibt es viele klassische Musiker, die »nebenbei« Jazz spielen oder zur Bläserphilharmonie gehören). Eine musikalische Verbindung beider herzustellen, ist einfach knifflig, nicht zuletzt auf Grund der schieren Klangfülle oder gar -masse, die sich schon aus der Zahl der Mitwirkenden ergibt. So war die Philharmonie im ersten Teil oft nur ein Begleiter – wenn überhaupt – und steuerte eher Einleitungen, Übergänge oder Farben bei, den Ton gab im wahrsten Sinn des Wortes aber die Big Band an.

Mit drei Stücken von Joe Lovano und Charles Mingus‘ »Duke Ellington’s Sound of Love« (alles in Arrangements von Michael Abene) gab es einen Einblick in die Big-Band-Welt, wobei vor allem die solistischen Einlagen diverser Tenor- und Altsaxophone oder Posaunen beeindruckten, die individuell glänzen konnten, aber trotzdem im rhythmisch-melodisch prägenden Big-Band-Sound aufgehoben blieben. Wim Both verblüffte mit seinem sagenhaft weichen, geschmeidigen Ton in »Emperor Jones« (Lovano / Abene) für Trompete, Big Band und Orchester.

Neben all dem »Blech« waren die Schlagzeuger wichtig (sieben Philharmoniker sowie Hans Dekker von der WDR Big Band), die mit Glöckchen, Trommeln, Pauken und noch viel mehr nicht nur den Rhythmus, sondern auch den Klang prägten. Wayne Marshall, Dirigent oder vielmehr »Bandleader«, bündelte all dies blitzsauber und rhythmisch korrekt, vielleicht sogar zu sauber, so daß der Funke bis zur Pause noch nicht ganz übergesprungen war.

Das änderte sich aber, denn mit Wynton Marsalis‘ »Swing Symphony« stand ein kolossales Werk auf dem Programm, das nun tatsächlich Big Band und Orchester vereinigte (und die Anteile »gerechter« verteilte). Marsalis ist es durchaus gelungen, die unterschiedlichen Instrumente aufeinander abzustimmen. Am sinnigsten vielleicht im dritten Satz (»Midwestern Moods«), der hier eine stimmige Synthese hervorbrachte – nun waren auch der »Funke« und die Begeisterung ausgebrochen.

Immer wieder gab es Soloeinlagen, Intros oder gar »Duelle«. Im Gegensatz zu den ausgedehnten, aus dem Jazz bekannten solistischen Improvisationen wirkten diese zahlreichen kleinen Nummern noch spontaner und direkter, wobei der Klang der Städte (Marsalis streift in den Sätzen unter anderem durch New Orleans, New York und Los Angeles) multikulturell verschmilzt – und hier durfte auch ein klassisches Cello oder die Kontrabaßgruppe groß »auffahren«.

So vollführte sich eine mächtig-gewaltige Musikeruption, deren Bruckner-Format (über eine Stunde) der Komponist am Ende selbstironisch mit einem gesungenen »Ah«-Seufzer sämtlicher Musiker kommentierte.

27. April 2019, Wolfram Quellmalz

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