Eigenwillige Kontraste

Klavierabend mit Evgeni Bozhanov in der Frauenkirche

Der bulgarische Pianist Evgeni Bozhanov hat mit seiner Werkauffassung und individuellen Interpretationen schon manches Publikum verzückt, die Jurys von Klavierwettbewerben standen ihm jedoch nicht einhellig wohlwollend gegenüber. Wenn sich solches bereits in der Vita nachlesen läßt, erwartet man auf jeden Fall etwas Besonderes. Am Sonnabend konnten sich Zuhörer in der Unterkirche der Frauenkirche ein eigenes Bild machen. Neben Robert Schumanns »Arabeske« standen Franz Schuberts letzte Klaviersonate sowie ein Nocturne und die dritte Sonate von Frédéric Chopin auf dem Programm, das alle drei Komponisten großzügig zur »Deutschen Romantik« gehörend deklarierte.

Auf Schumann mag dies wirklich noch zutreffen. Und so zeigt sein Stück, daß die Ornamentik auch in der Musik gleichermaßen substantieller Träger wie Verzierung ist. Beides zu erforschen machte sich Evgeni Bozhanov mit klarer Diktion auf die Spur, doch fielen hier schon kleine Rückungen, Verzögerungen meist, auf. Reizvoll blieb, wie der Pianist aus sanft gebundenen Tönen kristalline Klangspitzen hervorblitzen ließ.

Gerade die sehr freie Behandlung von Rubati fiel auf, womit Evgeni Bozhanov immer wieder Brechungen hervorhob (oder verursachte), den Fluß bremste, und das teilweise so stark, daß es irritierte. In der dynamischen Stufung unterließ er solche Freiheiten dagegen, wenngleich er auch hier manche ungewöhnlichen Akzente fand. So bei Franz Schuberts Sonate B-Dur (D 960). Statt den in das sublime Anfangsthema eingebundenen Baßtriller als fernes Donnergrollen zu beschwören und erst dann hervorzuheben, wenn er wiederkehrt, betonte ihn Evgeni Bozhanov bereits am Beginn stark und gab ihm ein besonderes Gewicht. Dennoch wirkt er in seiner Tempowahl immer wieder zögerlich, so daß gerade die langsamen Sätze (auch später bei Chopin) sehr gedehnt schienen. Schuberts Andante ist ein sostenuto zugeordnet, dessen Bestimmtheit man jedoch vermißte. Das Scherzo dagegen erklang so beschleunigt, daß es nur eben kurz durch den Raum zu huschen schien, bevor die Sonate in einem Allegro-Gipfel schloß.

Immer wieder ließ Evgeni Bozhanov mit seinen Ansätzen und Einfällen aufmerken. So auch in der zweiten Programmhälfte, als er Frédéric Chopins Nocturne Opus 62 N1. 1 in H-Dur sofort die Sonate in h-Moll, welche sich am Ende ebenfalls nach H-Dur wendet, folgen ließ. Gerade dann jedoch sorgten Verzögerungen und Pausen dafür, daß der freie Fluß der Sonate verlorenging, so daß sie wie eingezwängt wirkte. Dem Largo wiederum ging die Prägnanz verloren, während der Pianist das Scherzo derart schnell spielte, daß es fast schludrig klang! Das Presto, non tanto des letzten Satzes avancierte gar zum Marsch. Dabei mangelte es an Anschlagskultur durchaus nicht, wie die gesangliche Qualität und die ausgehaltenen Schlußakkorde gezeigt hatten.

So blieben, da auch keine Zugabe folgte, manche Fragen offen.

27. April 2019, Wolfram Quellmalz

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