Intrada Vokalensemble in der Annenkirche
Das Ensemble Intrada aus Moskau war nicht zum ersten Mal in Dresden oder der Umgebung zu Gast. Kein Wunder – immerhin hat die Gründerin und Leiterin Ekaterina Antonenko während ihrer Ausbildung wesentliche Impulse in Deutschland, unter anderem durch Hans-Christoph Rademann, erhalten. Zwar kam der Chor »der neuen Generation«, wie er selbst sagt, mit russischem Liedgut hierher, doch seine »Ausrichtung« ist vielsprachig, international. Vor fünf Jahren erschien eine CD mit Werken aus der Zeit Jan Pieterszoon Sweelincks (»Unknown Renaissance: the 450th anniversary of J. P. Sweelinck«). Darauf enthalten sind unter anderem Werke von Byrd, Palestrina, Allegri – das Programm am Mittwochabend in der Annenkirche dürfte für die meisten Besucher ebenso unbekannt gewesen sein.
Schon manches Mal hat man gerade bei Musikfesten unterschiedliche Vertonungen eines Textes in einem Konzert erlebt, etwa des Stabat Mater oder des Magnificat. Intrada brachte solche Beispiele mit, wie die beiden Glaubensbekenntnisse von Igor Strawinsky (»Ich glaube an einen Gott« sowie ein »Vaterunser«), von ihm erklang ebenso ein »Ave Maria«, ein Text, den auch Arvo Pärt vertont hatte.
Es waren geistliche Gesänge, Chöre, Konzerte, die vor allem eines offenbarten: die besondere Farbigkeit, den kraftvollen Gesang, die runden, schweren Vokale, die emphatische Hingabe, welche den Werken bereits eingegeben ist. Fast ausnahmslos waren es a-capella-Stücke. Eine hierzulande kaum gekannte Ausnahme blieb somit John Taveners »Svyati« – ja, auch der englische Komponist hatte russische Texte vertont und für sein »Heiliger Gott« neben dem Chor ein Violoncello (Peter Kondrashin) vorgesehen. Warm, schwer und sinnlich klang sein Instrument, so daß (als letztes Stück vor der Pause) noch eine Zugabe von Anton Arenski mit dem Chor und dem Solisten folgen mußte.
Die meisten Stücke wurden jedoch im gemischten Chor vorgetragen, in einzelnen Strophen zeigte sich, daß auch die Solostimmen wunderbar leuchtend sind. Vom 18. Jahrhundert führte das Konzert bis ins Heute, von Dmitri Bortnjanski bis zu Arvo Pärt. Voll andachtsvoller, romantischer Schönheit war Peter Tschaikowskys verführerischer »Cherubinischer Gesang«, mit Alfred Schnittke und Rodion Schtschedrin wurde die Klangsprache moderner, expressiver. Wie Bortnjanski zu Beginn war Arvo Pärts »Ave Maria« am Ende von volkstümlicher Melodik geprägt.
Wohltuend war, wenn der ganze Chor summend einen fast instrumentalen Klang hervorbrachte oder die helleren Stimmen sich auf einem Bett der Bässe erheben durften – großartig! Selbst rituelle oder erzählerische Texte wurden durch ausgeprägte dynamische Verläufe belebt, manches Mal allerdings führte die Expressivität auch in ein Übermaß. Oder lag es daran, daß der Chor sonst in (noch) größeren Kirchen zu Hause ist? Im Forte zumindest stieß er an die Grenze zum Schrei, was nicht immer in den Texten oder Werken begründet war.
Mit ihrer Ausdruckskraft und dem förmlich greifbaren Klang, vor allem, wenn er am Ende in die Ruhe strömte, erntete Intrada viel Begeisterung und dankte dafür mit der Liturgie »Tebe poem« von Sergej Rachmaninow sowie der Wiederholung von Arvo Pärt.
6. Juni 2019, Wolfram Quellmalz