Zwei Stimmen, zwei Seelen

Gambenduo in der Hoflößnitz

»Alt« ist eben relativ. Da erfreut man sich an den »alten« Gemäuern der Hoflößnitz, vor allem dem Berg- und Lusthaus, und wähnt es alt, schließlich stammt es aus dem 17. Jahrhundert – wer könnte schon die Generationen der eigenen Familie so weit zurückverfolgen? Doch musikalische markierte das 17. Jahrhundert am Sonntag im Konzert den spätesten, also jüngsten Zeitpunkt. Laurence Dreyfus und Heidi Gröger durchmaßen auf ihren Diskantgamben viele hunderte Jahre, begannen bei den Ursprüngen der Polyphonie und fanden bis zur musikalischen Suite mehrere Höhepunkte.

»Engelstimmen durch die Zeitalter« hatten die beiden Musiker ihr Programm genannt. Viele der Stücke erinnerten an Gesang. Schon die Organa (Bezeichnung für mehrstimmige Stücke) aus dem Winchester Troper zeigten eine solche Nähe auf – noch war eine zwingende Instrumentierung nicht vorausgesetzt. Schon diese frühesten Formen aus dem 11. Jahrhundert waren ganz musikalische Hingabe, was die Titel (zwei Halleluja und ein Viderunt omnes) bestätigten.

Nach den anonym überlieferten Werken ging es mit Guillaume de Machaut um zweihundert Jahre weiter, Orlando Gibbons und Tobias Hume markierten danach eine Blüte der Renaissance. De Machaut legte der instrumentalen Musik ebenfalls einen Gesang zugrunde – seine drei Balladen (zu denen die Texte bekannt sind) erzählten von Liebe, bitterem Vorwurf und Treue – glücklicherweise mit steigender Stimmung. Neben der reinen Polyphonie wurden Rhythmik und Tanzbarkeit bestimmender. Berückend war, wie sich die Stimmen der Gamben aufeinander bezogen, wie sie verwoben waren und blieben – ganz so, als sei ein gemeinsamer Atem das bindende Glied und nicht Takt oder Metronom. Davon konnten Gibbons Phantasien nur profitieren, während bei Hume schon eine Gambe allein zweistimmig singen konnte. Laurence Dreyfus, der in Dresden auch schon mit seinem Gambenconsort Phantasm zu Gast war, ließ die sanfte Berührung von »Touch me lightly« spürbar werden.

Doch die Reise ging noch weiter, wandte sich mit Christopher Simpson, Matthew Locke, Louis Heudelinne und François Couperin nun dem 17. Jahrhundert zu und näherte sich der Suite – Alte Musik? Unerhörte auf jeden Fall, denn das meiste kannte man gar nicht oder kaum. Und so gab es manche Überraschungen, wie eine Dudelsackharmonik in der Première Suite von Heudelinne. Immer raffinierter wurden die Stücke, wobei galt: mit Atem und Leben ausgefüllt werden müssen sie jedesmal neu! Mit purer Instrumentenbeherrschung allein schafft man dies nicht, vielmehr gilt es, aus der notierten Basis etwas wachsen zu lassen – so entsteht auch die vermeintlich Alte Musik immer neu.

Mit einer Suite aus François Couperins Treizieme Concert kam das Programm schließlich bei einem großen Namen und Meister an – dennoch: wer hätte als Abschluß so eine leichtfüßige Chaconne erwartet? Als Zugabe wiederholte das »Consort à 2« eine Ballade de Machaut.

29. Juli 2019, Wolfram Quellmalz

Nächstes Konzert der Reihe: Mitglieder des Knabenchores Dresden (Leitung: Matthias Jung) singen Werke von Purcell, Mendelssohn, Mauersberger und anderen, 18. August, 17:00 Uhr, Hoflößnitz

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