Honggi Kim beim Pianoforte-Fest in Meißen
Drinnen saß der vielfache Preisträger am Thürmer-Flügel, draußen schrien die Mauersegler in der Stille über der Triebisch und mischten ihren Gesang mit Haydn, Schumann und Brahms – ein wahres »Sommerkonzert«.
Halbzeit beim Pianoforte-Fest Meißen – mit dem dritten Konzert kehrte die Reihe an den Ursprungsort, die frühere Ferd. Thürmer Pianofortemanufaktur in die Martinstraße zurück. Heute werden hier keine Klaviere oder Flügel mehr gebaut, aber ein reizvolles Museum gibt Aufschluß über die Geschichte des Hauses und des Klavierbaus. Auf einem großen Wandbild ist niemand anderes als Martha Argerich an einem der Instrumente zu sehen.
Martha Argerich war nicht da, aber sie gibt ohnehin keine Soloabende mehr. Doch der heute in Bochum ansässige Klavierbauer – nach wie vor ein Familienunternehmen – ist stets darum bemüht, Pianisten ersten Ranges aufzubieten und junge Talente zu fördern. Das kann man nicht nur alljährlich zwischen Juni und September in Meißen erleben – auch die Konzertreihe am Standort Bochum lohnt einen Besuch.
Honggi Kim wurde bereits zum zweiten Mal eingeladen. Ausdrucksstark und kraftvoll zeigte sich der Pianist bei sommerlicher Hitze – wie gut, daß die Räume des Museums nicht an einer vielbefahrenen Straße liegen, so konnten die Fenster geöffnet bleiben. Für Joseph Haydns »Verhältnisse« war es dennoch ein etwas hitziges Temperament, welches das technisch perfekte Spiel von Honggi Kim bestimmte. Die Es-Dur-Sonate Hob: XVI 52 hatte eine erdverbundene Schwere, barg aber auch ein Losstürmen – selbst wenn man den Vergleich, daß der Komponist ja noch für das »leichte« Cembalo geschrieben hat, nicht suchte, klang das entschieden zu wuchtig. Frische und Leichtigkeit ließen vor allem die Ecksätze missen, aber auch das Adagio war von gravitätischer Schwere.
Robert Schumanns Sechs Intermezzi Opus 4 gerieten da schon erfrischender. Überhaupt war es erfreulich, das selten gespielte Stück wieder einmal zu hören. Schumann hat darin quasi Studien über die Form des Allegro zusammengefaßt, nur von einem Presto unterbrochen. Gerade darin kehrte Honggi Kim die zahlreichen Wechsel in Rhythmik und Dynamik hervor, wie er überhaupt eine große Zahl an Abstufungen aufbot. Sein Presto gab sich durchaus capricieuse, wiegend das marcato des dritten Intermezzo, verträumt das nachfolgende semplice. Doch um bis in die tiefsten Tiefen der Schumann’schen Subtilität vorzudringen, war Kims Aplomb noch etwas groß.
Johannes Brahms‘ dritte Sonate bot deutlich mehr »Platz« dafür. Mit großer Geste, mit eruptiver, schwärmerischer Kraft durchwanderte Honggi Kim das ungewöhnliche, weitgefaßte, fünfsätzige Werk und bewies Maß im Aushalten und Nachhallen der Schlußakkorde (eine unterschätzte Disziplin!), während er manchmal wiederum so beschleunigte, daß eine fein nuancierte Artikulation schier nicht möglich war.
Dabei kann er es – wie der Pianist mit einem federleichten Intermezzo Johannes Brahms‘ als Zugabe bewies. Solche Gelassenheit sollte er sich öfter gönnen!
27. Juli 2019, Wolfram Quellmalz
Nächstes Konzert der Reihe: am 30. August (20:00 Uhr) kehrt Till Engel mit Werken von Franz Schubert und Robert Schumann ins Pianoforte-Museum zurück, Termine und weiter Informationen unter: http://www.pianoforte-fest-meissen.de
Und für den nächsten Besuch im Ruhrgebiet sei Ihnen die Bochumer Konzertreihe empfohlen: http://www.ferdthuermer.de/konzerte.html