Heinrich Schütz Musikfest im Alten Pumpenhaus Dresden

Leila Schayegh feiert »Divino Farina!«

Beinahe könnte man meinen, »die Leute« gingen allzu leichtfertig mit dem Attribut »divino!« (»göttlich!«) um. Johann Adolph Hasse hatte man den Titel schon »verpaßt«, nun titelte das Heinrich Schütz Musikfest am Montagabend »Divino Farina!« im Alten Pumpenhaus. Und auch Josef Mysliveček wurde schon »Il divino Boemo« genannt …

Wie gesagt: beinahe könnte man. Doch wer genauer achtgibt, stellt fest, daß sich solche Bezeichnungen nur aus anhaltender oder wiederholt herstellbarer Begeisterung ergeben und letztlich rar sind in einem Meer von Komponisten oder Musik. Mit Josef Mysliveček hatte sich die Violinistin Leila Schayegh übrigens bereits eingehend beschäftigt und Werke von ihm mit dem Collegium 1704 (Václav Luks) eingespielt (2018 / ACCENT), und vor zwei Jahren hatten die Werke eines gewissen Carlo Farina auf ihrem Programm gestanden, auch davon zeugt eine CD (Pan Classics). Der Komponist und Violinist aus Mantua war für drei Jahre Konzertmeister in Dresden, zu eben jener Zeit, als Heinrich Schütz hier war, mit dem er zusammenarbeitete. Heute wäre Farina wohl vergessen, doch zeugen mehrere Druckausgaben seiner Werke von der Tätigkeit des Komponisten.

Leila Schayegh hat sich in die diversen Libri und »Theile« neuer Sonaten, Pavanen etc. eingearbeitet und »festgefressen« – es sind beachtenswerte Stücke, voller Inspiration und glücklicher Einfälle, und sie wollen gerne wachgeküßt werden. Dafür war nun gestern Gelegenheit, ausgiebig und eindrücklich.

Leila Schayegh war als Solistin und Leiterin des Ensemble La Centifolia Gestalterin des Abends (dem ein Gespräch zu den musikalischen Schätzen in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden vorausgegangen war), und sie tat es mit Herzblut und Verve! Im Wechsel traten die Mitglieder des Quartetts solistisch hervor, mit kleinen Phantasien und Toccaten, welche direkt in die Sonate Carlo Farinas übergingen. Schon hier verquickten sich die festgelegte (nicht »festgezurrte«!) Regelhaftigkeit der Werke mit der Freiheit der Gedanken, der Musik! Denn vieles, wie Steffan Naus Phantasie für Violine solo, die von einem Bogenvibrato ausgelöst in eine feie Kadenz zu stürmen schien, oder Pietro Paolo Mellis Capriccio cromatico für Laute (Daniele Caminiti), klang wie virtuose Improvisationen.

Leila Schayeghs Violine konnte fein singen, elegante Bögen malen oder feurig auftanzen – in vielen der Stücke konnte man spüren, daß klassische Konzert- oder Sonatensätze zwar nicht (vielleicht) mehr tanzbar sind, daß aber Formen wie die Allemande oder die Pavane vom Tanz abgeleitet sind. (in Farinas Notenbüchern waren ebenso Balletti enthalten).

Als Bereicherung erwiesen sich die Sonaten des Lombarden, in denen er in zwei, drei und vier Stimmen (mit Jonathan Pešek / Violoncello und Johannes Keller / Cembalo) verschiedene Charaktere bzw. Frauen schildert: neben Farina und Marina werden auch La Desperata (die Verzweifelte), La Bolognesa oder La Franzsosina vorgestellt.

Die Umgebung des Alten Pumpenhauses erwies sich als ebenso entdeckenswert wie das Programm. Erst kürzlich saniert und bisher für Clubs als Event Location genutzt, hat es das HSMF nun für die Klassische Musik entdeckt – bleibt zu hoffen, daß es eine Fortsetzung finden wird. Auch musikalisch. Denn auf solche Kostbarkeiten wie die Phantasie Frantz, von der man nur weiß, daß sie um 1600 entstanden ist, möchte man nicht verzichten! Als Zugabe wurde dem Publikum noch eine Allemande Johann Schops präsentiert – vergnüglich, virtuos und mit ordentlichem Baß!

8. Oktober 2019, Wolfram Quellmalz

Heute kehrt Dorothee Mields, die Residenzkünstlerin des letzten Jahres, zum Heinrich Schütz Musikfest zurück.

Weite Informationen unter: http://www.schütz-musikfest.de/

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